Lenin und andere Bolschewiki im Urteil Isaak Steinbergs
Beim folgenden Text handelt es sich um einen Auszug (S. 142 – 165) aus dem kürzlich erschienenen lesenswerten Buch von Hendrik Wallat mit dem Titel „Maximalismus. Studien zum politischen Denken von Isaak Steinberg“. Der Auszug befasst sich mit dem Urteil des an der Revolution beteiligten, dann aber wegen zunehmender politischer und moralischer Divergenzen ausgestiegenen Sozialrevolutionärs Steinberg über Lenin, Trotzki und andere führende Bolschewiki und lässt erahnen, warum die Revolution unter Führung der Bolschewiki (Lenin, Trotzki, Bucharin u.a.) auch an der von Autoritarismus oder Narzissmus geprägten Charakterstruktur dieser Personenscheiterte, von denen Stalin nach Steinbergs Spotturteil 1925 mit Abstand der übelste Charakter gewesen sei: ein narzisstischer, zynischer und „brutaler Machtmensch mit geringen geistigen Fähigkeiten“.
Über Lenin schreibt Steinberg: Er sei ein Mensch „‘wie aus einem Guss‘, dem es gelang, seinen Willen nicht nur einer Partei, die zur ‚kollektiven Gestalt‘ seiner Persönlichkeit wurde, sondern einem ganzen Volk und seinem Schicksal aufzupressen. Seiner Idee zuliebe opfere er alles jener Macht, die er zu ihrer Verwirklichung auserkoren hatte…“ (Wallat nach Steinberg)
Bei Trotzki kritisiert Steinberg dessen selbstherrlichen Narzissmus und seine ihn begleitende Brutalität. Das menschliche Leben und Leiden sei für ihn „immer nur ein abstrakter Begriff, eine beliebige Komponente im revolutionären Kampf“ gewesen. Er „strotzte zudem nur so vor „‘Überheblichkeit‘, während er mit Ausnahme des vergötterten Lenins, nur ‚Spott und Hass‘ für alle anderen ‚Nullen‘ übrig gehabt hätte. Er sei von einer „eitlen Menschenverachtung“ und einer „aristokratisch-terroristischen, also antisozialistischen Mentalität“ bestimmt gewesen. (ebenda). Anders als im Nachruf zu Lenin schreibt Steinberg über Trotzki, den Führer der Roten Armee, „dass die Zerstörung der russischen Revolution das Werk der Bolschewiki selbst gewesen sei und Stalin insofern ihr legitimer Erbe gewesen sei.“ So macht er deutlich, dass Trotzki für ihn keine Alternative für Stalin gewesen sei, sondern sich „beide bei aller persönlichen Feindschaft, in Fragen der autoritären Politik des Terrors, die die Revolution zu Grabe trug, einig wussten und ‚solidarisch‘“ gezeigt hätten. (ebenda)
Bucharin beschreibt er als beliebten, bescheidenen und freundlichen Genossen, der „Hüter und beständiger Weiterbauer der offiziellen Lehre“ des Bolschewismus gewesen sei, die den ideologischen Zusammenhalt der Partei“ gesichert habe. Seine Ausschaltung 1929 sei „ein gewaltiges Zeichen des Zerfalls des Bolschewismus“ gewesen, weil er mit Bucharin „seine innerliche Kraft und seinen geistigen Zusammenhalt verloren“ habe (Wallat nach Steinberg, ebenda) und sodann im Stalinismus verendet sei.
Heinz Gess
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