Das Wert(e)geheimnis und der Geheimniswert in modernen Gesellschaften
Im Zuge der sogenannten reflexiven Moderne ist dem Paar Geheimnis/ Transparenz das nämliche Schicksal zuteil geworden, wie es Jahrtausende früher schon dem Paar Wissen/ Nichtwissen widerfuhr. Sokrates’ resp. Platons Einsicht, um so mehr nicht zu wissen, je mehr man weiß, fand nun für das Geheimnis die Entsprechung: Je mehr die aufgeklärte Moderne qua Information, Kommunikation und Transparenzmedien Geheimnisse aufzulösen glaubte, desto mehr erzeugte sie diese im selben Maße. Die Teilung moderner Gesellschaften in eine offiziöse und in eine inoffiziöse wurde damit vor allem in der Postmoderne zum status quo.
Mehr noch: Der Glaube, qua Vernunft ein tolerables Verhältnis zwischen demokratischer Transparenz und nichtdemokratischem Geheimnis zumindest diskursiv herstellen zu können, ist der Resignation gewichen, daß selbst die auf Sinn basierenden, rational motivierten Handlungen und Empfindungen von Menschen hinter ihrem Rücken dem Bedürfnis nach „Kult- und Geheimnisformen“ des Lebens gehorchen. Eine noch intakte Brücke zwischen „gelichteter Gesellschaft“ und „dunkler Gemeinschaft“ bilden gemäß der bürgerlichen Ideologie die Werte einer Gesellschaft – sie sind der ausführende Produzent „des“ Geheimnisses. Das Geheimnis selbst ist indes die jeder modernen (europäischen) Gesellschaft zu Grunde liegende Barbarei – ihr ausführender Produzent ist immer noch der Wert, der verwertet werden muß. Sobald die Barbarei nicht mehr gedeckt, nicht mehr als offenkundiges Geheimnis indirekt kommunikativ angespielt werden kann, wird es unheimlich, zumeist traumatisch – eine Grunderfahrung der letzten 150 Jahre. (B. Ternes)
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