Über die weltanschauliche Verwahrlosung des antizionistischen Denkens am Beispiel der „Kritischen Theorie“ Moshe Zuckermanns
In den letzten Tagen wurde in allen deutschen Medien ein an die Bundeskanzlerin gerichteter öffentlicher Brief veröffentlicht, in dem 60 deutsche und israelische "Israelkritiker", die nach Benz, der den Antisemitismus für eine Geisteshaltung ungebildeter dummer Kerls hält, schon deshalb keine Antisemiten sein können, weil sie ‚gebildet’ sind, sich mit Moshe Zuckermann, Achille Mbembe und anderen fanatischen „Israelkritikern“ gemein machen. Sie greifen den Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein vehement an, weil er zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik als Amtsträger den Mut aufbringt darauf hinzuweisen, was die Spatzen schon lange von den Dächern pfeifen, nämlich dass der Antisemitismus hierzulande keineswegs nur von Altnazis und der neuen völkischen Rechten geschürt wird, sondern auch von esoterischer Seite ("New Age Weltanschauung) und (seit 1968) von links-deutscher Seite, die einen völkisch-antiwestlichen Antiimperialismus nach dem Muster der deutschen Ideologie bzw. des “wahren“ oder „deutschen Sozialismus“[1] pflegt. Er gibt vor „antirassistisch“ zu sein.
Indes ist der angebliche Antirassismus doch nur eine extrem kulturrelativistische, kulturalistisch (völkisch) argumentierende Ursprungsideologie im Linksjargon, die den Antisemitismus enthält wie die Wolke den Regen. Das wurde erst kürzlich wieder an Ausführungen Mbembes über Israel, deren antisemitische Klischees unverkennbar waren, mehr als deutlich. Gleichwohl verteidigten viele der 60 „Israelkritiker*innen“ Mbembe heftig, so wie sie schon früher die Auslassungen der obsessiven „Israelkritikerin" J. Butler und die vor antisemitisch konnotiertem Zionistenhass nur so triefende Propaganda gegen Israel von Zuckermann verteidigten, die sich beide mit den Allahu Akbar-Sozialisten der islamischen Umma zur Befeiung Palästinas von den Juden gemein machen.
Viele der Kritiker teilen vermutlich das weltanschauliche Paradigma Mbembes und Zuckermanns. Manche verwechseln es auch wohl - wie Zuckermann selber - mit der „Kritischen Theorie der Gesellschaft“ (Adornos und Horkheimers), von der kein Weg zu den Hasstiraden Zuckermanns auf Israel führt. Fühlen sie sich ertappt, reagieren sie, wie oft, wenn sich Menschen ertappt fühlen, mit lauter Empörung. Wo es angebracht wäre, mit Selbstbesinnung zu reagieren und zu prüfen, ob die Kritik anderer sachkundiger Wissenschaftler an Texten Mbembes, Zuckermanns, Butlers nicht vielleicht doch berechtigt sein könnte und sie selber ihre „Kritik“ am Juden unter den Staaten (Poliakov) zu überprüfen hätten, schlagen sie prompt „zurück“ und drehen den Spieß um. In völliger Verkennung der hiesigen Wirklichkeit behaupten sie, Antisemitismus gäbe es in Deutschland nur bei Altnazis und der völkischen Rechte am rechten Rand der Gesellschaft. Im Übrigen aber sei Deutschland, vor allem aber das „israelkritische“ Deutschland, dem sie selber sich zurechnen, antisemitismusfrei. Hier sei nicht der Antisemitismus ein gesellschaftliches Problem, sondern der Antisemitismusvorwurf jener, die sich nicht an die von den 60 Damen und Herren seit Jahrzehnten bewachte Zensur halten, dass Antisemitismus nur bei extremen völkischen Rechten und beinharten Nazis vorkomme und der Antizionismus und die zwanghafte „Israelkritik“ linksvölkischer Antiimperialisten und „deutscher Sozialisten“ nichts mit Antisemitismus zu tun habe. Ausgerechnet sie, die Jahrzehnte lang zu jenen gehörten, die – machtgestützt – die Definitionsmacht darüber innehatten, wer und was hierzulande als wer oder was zu gelten hatte, während der Antisemitismus, verkleidet als Israelkritik und Antizionismus, wuchs und wuchs, ohne dass sie diesem Wachstum etwas entgegenzusetzen wussten, inszenieren sich nun, wo der erste, nicht mehr ganz ohnmächtige Widerstand gegen ihre Definitionsmacht und falschen Definitionen sich regt, als Opfer zionistischer Herrschaftspraktiken und erklären den Antisemitismusvorwurf gegen Mbembe, Butler, Zuckermann u. a. zum Herrschaftsinstrument zionistischer Juden und ihrer Lobby in Deutschland. Diese seien das Problem, nicht der Antisemitismus, den es außerhalb der extremen Rechten gar nicht gebe. „Nachtigall, ick hör Dir trapsen“: Wieder einmal sollen es die Juden – diesmal als Zionisten - sein, die lügen, täuschen und tricksen, alles nur mit dem einen Ziel, die Herrschaft über die Masse zu erlangen, um sie für das eigene Interesse zu instrumentalisieren, diesmal das Interesse an der angeblich ‚völkerrechtswidrigen Herrschaft’ über „das palästinensische Volk’ zu erlangen, während die arabischen und/oder islamischen Rackets, die auf Israels Vernichtung abstellen, und ihre deutsch-europäischen Unterstützer in der Wahrheit stehen . Wieder einmal weiß man hierzulande unter Intellektuellen, wie „der typische Jude“ tickt, für den in Europa „der zionistische Jude“ steht, und dass nur Übles von ihm zu erwarten ist. Und wie der Jude, so auch seine zionistische Gefolgschaft, der ‚typische (zionistische) Geistesjude’. Wie schon so oft in der Geschichte soll wieder einmal mit antisemitischen Projektionen der Verdacht des Antisemitismus abgewehrt und das Bewusstsein der eigenen Unschuld erzeugt werden.[2]
Mittlerweile haben viele andere gegen den Antisemitismus engagierte Menschen auf den Brief der 60 geantwortet, Falschbehauptungen richtig gestellt und ihn zurückgewiesen. Ich habe diese Antwort in meinem persönlichen Account und dem FB Account des Kritiknetzes veröffentlicht. (https://www.facebook.com/heinz.gess/posts/3510247445654693 und https://www.facebook.com/kritiknetz/posts/10156845889681618?).
Was bisher fehlt, ist eine detaillierte Auseinandersetzung mit der Antizionismus- und Israelkritik, mit der sich die 60 gebildeten Damen und Herren gemein machen. Hans Peter Büttner liefert nun gerade zur rechten Zeit diese Auseinandersetzung am Beispiel von Veröffentlichungen und Vorträgen von Moshe Zuckermann, der den Brief ebenfalls unterschrieben hat und mit dem sich die 60 gemein machen. Die Kritik ist hart und rücksichtslos, weil nach Ansicht des Verfassers ihr Gegenstand kein denkwürdiges Objekt ist, sondern eine verächtliche, verachtete Existenz, mit der es der Selbstverständigung nicht bedarf, ganz im Sinne des Marx’schen Diktums:
„Krieg den deutschen Zuständen! Allerdings! Sie stehen unter dem Niveau der Geschichte, sie sind unter aller Kritik, aber sie bleiben ein Gegenstand der Kritik ... Mit ihnen im Kampf ist die Kritik keine Leidenschaft des Kopfs, sie ist der Kopf der Leidenschaft. Sie ist kein anatomisches Messer, sie ist eine Waffe. Ihr Gegenstand ist ihr Feind, den sie nicht widerlegen, sondern vernichten will. Denn der Geist jener Zustände ist widerlegt. An und für sich sind sie keine denkwürdigen Objekte, sondern ebenso verächtliche, als verachtete Existenzen. Die Kritik für sich bedarf nicht der Selbstverständigung mit diesem Gegenstand, denn sie ist mit ihm im reinen. Sie gibt sich nicht mehr als Selbstzweck, sondern nur noch als Mittel.[3]
Heinz Gess
[1] S. K. Marx/ F. Engels, Manifest der kommunistischen Partei, in: MEW 4, 486 )
[2] S. dazu meine Ausführungen „ Verstellungen, Zudeckungen und Rationalisierungen, S.181 ff in. Vom Faschismus zum Neuen Denken C, G, Jungs Theorie im Wandel der Zeit, zu Klampen, Lüneburg 1994. Sie werden ein Dejavue erleben.
[3] Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. MEW Bd. 1, S. 38
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