„Antiimperialismus wird gemeinhin als ein „linkes“ Phänomen angesehen, doch hat das, was heute unter diesem Begriff verstanden wird, nicht mehr allzu viel mit jener Kritik der weltweiten Ausdehnung des Prinzips repressiver Staatlichkeit und der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu tun, wie sie etwa bei Rosa Luxemburg oder diversen Anarchisten formuliert wurde. Ihr lag vielmehr eine universalistische moralische Vernunft zugrunde. Kritik an Staat und Kapital zeichnete die Linke aus, insofern gab es tatsächlich eine genuin linke Imperialismuskritik. Damit aber, und ebenso mit dem Verständnis der Linken als globaler Bewegung der Emanzipation von gesellschaftlicher Herrschaft, ist es in der Postmoderne vorbei. Der heutige, kulturrelativistische Antiimperialismus ist hingegen eine völkische Position, basierend auf dem Kult um „unterdrückte Nationen“ statt auf der Solidarität mit realen Individuen, also dem Aberglauben an die „Nation“ und ihre „urtümliche“ Kultur, Organisationsform und ihren „authentischen“ Kollektivgeist“. (Donnhauser)
Anhand von Beispielen aus der lokalen Presse der 1930er und 40er Jahre stellt Donnhauser die antiimperialistische Rhetorik in der NS-Propaganda dar. Es ist erschreckend, wie einzelne Begriffe und Konzepte denen der Postkolonialisten ähneln: da ist die Rede von der „Achtung jedes Volkes als einer durch Art und Ursprung (…) bestimmten Lebenswirklichkeit“ (Carl Schmitt), es wird die „imperialistische Unterdrückungspolitik“ angeprangert. Als „friedliebende“ „Völkerbefreier“ kämpfte Nazideutschland für die „ethnozentrischen“ Neuordnung Europas. Sämtliche nationalen „Befreiungsbewegungen“ jener Zeit waren antisemitisch – nicht nur „Befreiungen“ durch die Wehrmacht (etwa im Baltikum oder in Galizien) waren regelmäßig begleitet von Pogromen.
Ingo Donnhauser endet mit der Aufforderung an die sich als „Antiimperialisten“ verstehenden Linken, in sich zu gehen und sich vor Augen zu führen, zu welcher „Barbarei“ Konzepte wie „Fremdherrschaft“ und „Souveränität“ sogenannter ethnischer Gruppen führen können. Er verweist auf den mörderischen Überfall der Hamas auf Israel am 7.Oktober 2023.
Heinz Gess
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