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Erinnerungspolitik der evanglischen Kirche - Über den kollektiven Mythos der Deutschen von der Nazivergangenheit (Teil 3 -5)

Details
Geschrieben von: Heinz Gess, Kristan Kossack
Kategorie: Faschismus, Neue Rechte, Völkisches Denken
Veröffentlicht: 12. September 2007
Zugriffe: 11632
Teil 3
Des Freiherrn von Campenhausens Vergleich der antisemitischen Äußerungen des Landesbischofs Meiser (1926) mit der Islamkritik von Ralph Giordano

von Heinz Gess


"Auch der Leiter des kirchenrechtlichen Instituts der EKD scheut vor solchen Verkehrungen nicht zurück, um "seinen Bischof" - partem pro toto - zu verteidigen. Von wahrhaftigem Erinnern und Durcharbeiten der Schuld, die das deutsche Christentum seit Luther, aber noch viel mehr seit Fichte und Wagner an der Genese der Idee der Erlösung durch Vernichtung hat, die von Hitler in die Tat umgesetzt wurde, ohne zu Ende geführt werden zu können, findet sich bei ihm keine Spur. Stattdessen auch hier Schuldabwehr und Verleugnung. Weil Luther in die Kritik geraten könnte, dürfen die antisemitischen Äußerungen des lutherischen Landesbischofs nicht dem Vernichtungsantisemitismus des Nationalsozialismus zugearbeitet haben, sondern müssen (berechtigte?) "judenkritische Äußerungen" gewesen sein.
Ebenso dürfen auch die antisemitischen Äußerungen des vom Verfolgungswahn gepeinigten, verfolgungssüchtigen späten Luther für den Lutherverehrer Campenhausen keine solchen antisemitischen Äußerungen gewesen sein, sondern müssen - vermutlich theologisch berechtigte - "Judenkritiken" gewesen sein, auch wenn der im wahren Glaube innerlich erlöste Christenmensch Martinus seine Gefolgschaft dazu seinerzeit aufforderte, die Juden außer Landes zu treiben, ihre Synagogen, Häuser und Schulen niederzubrennen und die verkohlten Reste mit Boden zuzuschütten, damit keine Spur von den Juden zurückbleibt."

Teil 4
Auslöschung des Nazigegners Hans Graff aus dem Gedächtnis, Ehrung für Nazihelfer im Talar wegen seiner Dienste an der Volksgemeinschaft, die heute soziale Dienste genannt werden

von Kristan Kossack
"Die Aufzählung von Pleß` Initiativen und Mitarbeit in kirchlichen und städtischen Sozialgremien (vgl. Festschrift des Diakonischen Werkes Minden (DWM) zum 70 jährigen Bestehen, Kommunalarchiv Minden - K2977) verifiziert keine sozialen Verdienste des Pfarrers. Soziale Zuwendungen sollten ab 1933 die Volksgemeinschaft stärken helfen, Nichtvolksgenossen blieben davon ausgenommen. Auf ethnische Minderheiten und politische Oppositionelle warteten Arbeits- und Konzentrationslager. Pleß, der von der Kanzel die "großen völkischen Gedanken, die durchgebrochen sind … als ein Bekenntnis zu Gott dem Schöpfer" feierte (Pleß-Predigt "Evangelium der Kraft" 1934) und das Judentum, Adolf Stoecker folgend, "mit dem Alten Testament bekämpfen" wollte, dürfte in der Praxis kaum der sozialen Selektion von Sinti und Juden in seinem Pfarrbezirk entgegen getreten sein. Er hat ihr mit dem zitierten Kanzelwort und im MS ideologisch Vorschub geleistet. Kurz vor seinem Tod schrieb Pleß im MS, "mit Ernst lehnen wir es ab, die Kirche zur Zufluchtstätte politisch unzufriedener Menschen werden zu lassen" (52/1934). Das Bekenntnis legt nahe, dass der Pfarrer Nazigegner bei seinem sozialen Engagement ebenso ausgeklammerte. Mindens Nazi-Bürgermeister Althaus würdigte Pleß in seinem Kondulenzschreiben an das Martinipresbyterium folgerichtig als "hervorragenden Geistlichen"."

Teil 5
Zivilcourage unerwünscht? - Hitlergegner Pfarrer Graff von seiner Kirche totgeschwiegen

von Kristan Kossack

"Pfarrer Dr. jur. Hans Graff war ein wertkonservativer Mann, der zugleich mehrfach in seinem Leben in verschiedensten Funktionen politisches Rückgrat unter Beweis gestellt hat. Er erhielt in Berlin 1934 Berufsverbot, weil er das Hissen einer Hakenkreuzfahne auf dem Schöneberger Rathaus verhinderte. In Minden sollte er im April 1945 wegen judenfreundlicher Kanzelworte von der SS erschossen werden. Nach dem Krieg hatte er es wider den Zeitgeist abgelehnt, die Begnadigung eines Mindener Kriegsverbrechers zu befürworten."

Teil 6

Adolf Stoecker Haus im Kirchenkreis Minden umbenannt - Dank an die Kirchenleitung angesagt?

von Kristan Kossack

"Letztere Weisheit wurde vom ehemaligen Leiter des Landeskirchlichen Archivs in Bielefeld, Professor Bernd Hey zum Besten gegeben. Einzelne Thesen aus seiner Dissertation (Bernd Hey, Die Kirchenprovinz Westfalen, 1933 - 1945, Bielefeld 1974) erinnern unmittelbar an den Tafeltext am Hiller Gemeindehaus: Auch Hey bescheinigt Stoecker einerseits "christlich-soziales Gedankengut" und andererseits "antisemitischen Konservativismus". Der Kirchenprofessor unterlässt es dabei tunlichst, Stoeckers "soziales Engagement" näher zu hinterfragen. Es war seit der bekannten "Berliner Rede" des Hofpredigers anno 1879 in der Regel mit demagogischen Angriffen auf das Judentum verknüpft. Die "soziale Frage" war für Stoecker eine "Judenfrage", weil das Judentum in seiner Sicht die Schuld am massenhaften sozialen Elend in Deutschland trug. Auf einem alten "Stoecker-Krug", der als Exponat im Mindener Preußenmuseum zu besichtigen ist, wird Stoeckers judenfeindliche Demagogie exemplarisch mit folgender Agitationsparole illustriert: "Das Handwerk darbt bei kargem Lohn, den Segen raffet sich der Cohn".
In einem Beschluss der Kreissynode vom Juni 2006 wurde Stoeckers tradierte Rolle als innerkirchliches Vorbild mehrheitlich zurückgewiesen. Allgemein liest man im Beschluss sogar, dass die Kirche durch Stoeckers "Wirkungsgeschichte in die Vernichtung des europäischen Judentums verflochten" gewesen sei. Unerwähnt bleibt aber die konkrete Verwicklung vor Ort. Für den Nazihelfer Pleß und den Nazigegner Graff gilt weiterhin das Prinzip der "Drei Affen". Auch der mit der Untersuchung der Mindener Kirchengeschichte in der NS-Zeit beauftragte Pfarrer Dr. Müller, klammerte in einem öffentlichen Vortrag mit dem Schwerpunktthema Pleß die antisemitische Aktivitäten dieses Pfarrers konsequent aus, Müller wandelt bei seiner Arbeit bisher in die Fußstapfen von Professor Hey. Der hat es fertig gebracht über die Geschichte der "Kirchenprovinz Westfalen 1933 - 1945" seine Doktorarbeit zu schreiben, ohne sich konkret mit der regionalen Kirchenpresse und ihrer Haltung zum Judentum auseinander zu setzen.
Solange das Wegschauen der Kirche im Konkreten andauert, sind alle Danksagungen an die Organe der hiesigen Kirchenleitung Ausdruck einer Schlussstrichmentalität. Wer gegen Antisemitismus zu Felde ziehen will, darf sich nicht mit seinen Erscheinungsformen im 19. Jahrhundert zufrieden geben."


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