Anmerkungen zu Chantal Mouffes Theorie des Politischen
Chantal Mouffes gemeinsam mit Ernesto Laclau erarbeitete ‚postmarxistische‘ Theorie gibt dem stets nach ‚Paradigmenwechseln‘ und Neologismen hungernden akademischen Betrieb eine neue ‚Beschreibung‘ der gesellschaftlichen Wirklichkeit; sie gibt der politischen Verunsicherung angesichts des vermeintlichen Scheiterns bürgerlicher wie kommunistischer Emanzipations- und Fortschrittsideen sowie des Untergangs ihrer Träger (des rationalen Individuums bzw. der proletarischen ‚Klasse für sich‘) einen ‚kontingenztheoretischen‘ Ausdruck und bietet zugleich das Versprechen neuer politischer Handlungsfähigkeit, indem sie die Ohnmacht, Kontingenz und die ‚Intransparenz des Sozialen‘ und das Fehlen des einen politisch gestaltenden Subjekts als Möglichkeit neuer ‚hegemonialer Projekte‘ und sozialer Bündnisse begreift. Dieses Versprechen politischer Handlungsfähigkeit ist besonders für eine Linke attraktiv. Als Heilmittel empfiehlt sie eine ‚antiessentialistische‘ linkspopulistische Strategie, die gegen ‚die neoliberalen Eliten‘ und die völkische Rechte zugleich gerichtet sein soll.
Ingo Elbe kritisiert im folgenden Aufsatz diesen sich selbst links verstehenden, in der Tat aber neu-rechten oder konservativ revolutionären Zugang zum Phänomen des Populismus. Die Grundthese seiner Kritik lautet, dass der post-gesellschaftskritische Ansatz Mouffes „eine irrationalistische Sozialontologie und ‚essentialistische‘ Massenpsychologie impliziert, die es nicht gestatten, den gegenwärtigen Populismus zu begreifen. Stattdessen bewegt sich Mouffe reflexionslos in populistischen Denkformen und Carl-Schmitt’schen Ideologemen, deren rationale Erklärung einer analytischen Sozialpsychologie in der Tradition der Kritischen Theorie obliegt. Es handelt sich dabei um eine Querfront von linken Theoretikern und Rechtsradikalen auf der Ebene der grundlegenden Beschreibung gesellschaftlicher Verhältnisse, die mit einer Ablehnung von Vernunft und moralischem Universalismus einhergeht und auf der politischen Ebene im Ressentiment gegen den Westen im allgemeinen, gegen die USA im Besonderen, besteht.“ (Elbe) „Mouffe trifft mit ihrem Verweis auf die Affektbasis kollektiver Identifikationen und Feinderklärungen zwar etwas, durch ihre Naturalisierung dieser Basis, durch die Abwesenheit einer historischen Sozialpsychologie und einer ökonomiekritischen Gesellschaftstheorie mutiert diese Diagnose aber selbst zur regressiven Ideologie und manipulativen politischen Programmatik – zu einem Versuch, ‚eine instrumentelle Einstellung gegenüber den unaufgeklärten Bewußtseinspotenzialen beizubehalten und sie lediglich in den Dienst der ‚richtigen Sache‘ zu stellen.’[1][1] Was bei Mouffe vermittlungslos gesetzt und affirmiert ist, wird bei Erich Fromm und in der an ihn anschließenden Kritischen Theorie Theodor W. Adornos und Leo Löwenthals zum Gegenstand historisch-spezifischer Erklärungen. Diese Theorien und empirischen Untersuchungen wurden in den 1930er/40er Jahren formuliert, um die Entstehung faschistischer Haltungen in der Bevölkerung zu ermitteln und eine Erklärung für das Ausbleiben rationaler Reformen oder einer sozialistischen Revolution in den entwickelten kapitalistischen Staaten zu finden.“ Sie sind jedoch weit über diesen speziellen historischen Anlass hinaus relevant und bieten bis heute immer noch die beste Erklärung des systemisch erzeugten Nährbodens populistischer Konjunkturen. „Laclau und Mouffe hingegen erklären nicht nur nichts, sie sind auch politisch Teil des Problems der autoritären Barbarei, nicht seiner Lösung.“ (Elbe)
[1][1] Helmut Dubiel: Vorwort. In: Ders. (Hg.): Populismus und Aufklärung. Frankfurt/M. 1986, S. 10.
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