Rezension und Kommentare zu A. Finkielkrauts Essay „L’identité malheureuse“ („Die unglückliche Identität“), Paris 2013
Im folgenden Text nimmt der Autor zu den massiven Anfeindungen Stellung, denen das 2013 erschienene, bislang nicht ins Deutsche übersetzte Buch von A. Finkielkraut „L’identité malheureuse“ („Die unglückliche Identität“) in den französischen Massenmedien ausgesetzt ist, weil Finkielkraut es in seinem Buch wagt, den extrem autoritären Islamismus und die von der politischen Klasse und der Meinungsmache in Frankreich ausgeübte repressive Toleranz ihm gegenüber zu kritisieren.
Ohne Finkielkrauts Argumente überhaupt nur zur Kenntnis zu nehmen, geschweige denn sie zu diskutieren, wird Finkielkraut, der 1968 noch für die menschliche Emanzipation auf den Barrikaden gegen Kapital und Establishment stand, als „rechtsextrem“, „Rassist“, „islamophob“, „reaktionär“, „Menschenfeind“, „obskur“ verschrien. Mit dieser Abwehr der Kritik durch Repression des Kritikers setzt sich der Artikel Zenklusens auseinander. Er führt die verletzende Polemik auf die in linken und neoliberalen Medien vorherrschende, verkrustete gegenaufklärerische Dogmatik dieser Medien zurück und wagt die These: „Von Heideggers Verwindung der Metaphysik über Derridas Dekonstruktion bis hin zu den heutigen, islamophilen Dekonstruktivismen führt ein verschlungener, aber durchaus rekonstruierbarer Weg.“
Damit Sie die folgende Verteidigung Finkielkrauts gegen seine Kritiker besser verstehen können, zitiere ich im folgenden einige Sätze aus einem Interview, das Finkielkraut vor wenigen Tagen der Wochenzeitschrift "Die Zeit" (26. 11. 2015, Nr. 48, S. 52) gab:
"Wenn man auf seinem eigenen Boden angegriffen wird, verbunden mit der Drohung, dass weitere Angriffe folgen werden - wie kann man dann noch ablehnen, von Krieg zu sprechen? Der „islamische Staat“ hat uns den Krieg erklärt. Das nicht anzuerkennen wäre ein Eingeständnis von Schwäche, die uns in den Untergang führen würde.
Die Deutschen leben noch in einem Europa das es nicht mehr gibt. (....) Wie schon der französische Philosoph Julie Freund sagte, der Mitglied der Résistance war, obwohl er Schüler von Max Weber und Carl Schmidt war: „Nicht wir bestimmen unseren Feind. Es ist der Feind, der uns bestimmt“. Wenn dieser aber entschieden hat, uns zu seinem Feind zu machen, nützen alle Freundschaftsbekundungen nichts. Es wird sogar verhindern, dass wir uns noch um den eigenen Garten kümmern. Und genau das passiert uns heute.
Der Feind ist da. Wir müssen ihn benennen. Denn der Feind ist nicht mehr einfach der Terrorismus. Er ist zuallererst der „islamische Staat“. Im Gegensatz zu Al-Kaida hat dieser Feind eine Adresse. Das Kalifat existiert irgendwo zwischen Syrien und dem Irak. Alle Attentate gegen uns werden dort geplant. Er führt gegen uns einen Krieg, der alle Kriegsgesetze missachtet, um uns in den totalen Terror zu stürzen. Wir müssen ihn schwächen und besiegen, weil wir sonst nicht mehr in Sicherheit leben können.
Die Lage in Europa ist beunruhigend. Das eigentlich Wünschenswerte, die Integration des Islams in die europäische Zivilisation, wird immer schwieriger. Unter dem Druck der wachsenden Einwanderung nimmt die Islamisierung ganzer Stadtviertel zu. Das gilt auch für Deutschland.
Die Deutschen halten den tatsächlichen Feind immer noch für den Anderen, dem sie Buße schulden. Das Aufwachen aus dieser Art von Weltfremdheit wird für die Deutschen ein extrem schmerzhafter Schock sein. (...)
Nun erholt sich Deutschland langsam von seinem schrecklichen Kater (aus der Willkommenskultur). Deshalb hat Bundespräsident Joachim Gauck neulich an ein paar Spielregeln erinnert:
erstens: Respekt vor den Homosexuellen
zweitens: Gleichberechtigung der Frauen
drittens: Ablehnung aller Formen des Antisemitismus
viertens: Anerkennung des Staates Israel.
Warum diese Gedächtnisstütze? Weil nämlich ein nicht zu übersehender Teil der Flüchtlinge mit diesen Regeln nichts am Hut hat. Indem es den Antisemitismus von gestern sühnen wollte, hat das Deutschland der Willkommenskultur womöglich den Antisemiten von morgen Spalier gestanden.
Mich beunruhigt dieses europäische Sich-gehen-lassen. Europa ist eine Zivilisation. An uns liegt es heute nicht mehr, sie in die Welt zu tragen. Aber wir müssen sie schützen, weitergeben, verteidigen. Ich fürchte wir können das nicht mehr. Die Flüchtlingskohorten ziehen heute über den Balkan in ihr neues Eldorado Deutschland. Merkel selbst erschreckt davor und bittet flehentlich Erdogan, den neuen türkischen Sultan, ihr zu helfen. Dieser Kniefall Europas vor einem Mann, der eine sehr ambivalente Haltung gegenüber dem „islamischen Staat“ vertritt, weil sein eigentlicher Feind die Kurden sind: das ist ein sehr erniedrigendes Spektakel. Ich bin überwältigt von der Inkonsequenz der Kanzlerin, und ich habe Angst, dass gerade diese Einstellung, diese Leichtigkeit, ihr Vergessen einer verantwortungsbewussten Moral im Sinne von Max Weber zu Gunsten einer Gesinnungsethik in Deutschland am Ende nur den Populisten von Pegida nutzt."
Heinz Gess
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