Anmerkungen zum philosophischen Kern von Max Horkheimers kritischer Theorie
Wallats Essay über Max Horkheimer behandelt, wie der Titel des Essays schon zu erkennen gibt, jene drei Kerngedanken, die für Horkheimers Werk konstitutiv sind: Horkheimers metaphysischen Pessimismus, die Sehnsucht nach Versöhnung (im ganz Anderen) und die daraus hervorgehende intransigente Gesellschaftskritik, die keinen Frieden mit dem (falschen) Ganzen schließen kann und auch auf seine positiven Momente nur im Zusammenhang mit dem darin angelegten konstitutiven Unheil reflektiert.
Die Sehnsucht nach Versöhnung weist durch die Zusammenarbeit mit Adorno im Zusammenhang der Dialektik der Aufklärung eine große Nähe zum Denken seines Freundes auf, aber Horkheimer setzt, wie Wallat hervorhebt, auch hier „abermals eigene Akzente. Diese sind besonders hinsichtlich des Verhältnisses von Menschen und Tieren, aber auch zur Geschichte von Herrschaft und Körpern zu konstatieren. (…) Erkenntniskritische Motive spielen für die eine größere Rolle als wie auch immer geartete Anleihen beim Messianismus. Horkheimers Sehnsucht ist nicht zuletzt als Sprung aus jenen Aporien zu deuten, in die sich sein abgrundtief pessimistisches Denken verfängt, von dessen Eigenständigkeit und Aktualität die folgenden Ausführungen dennoch überzeugt sind.“ (Wallat)
Dass die klassische Kritische Theorie Horkheimers wegen ihrer Voraussetzungen in einem bodenlosen Negativismus versinkt, der alle Unterschiede einebnet und nur schwarzsieht, ist falsch. Das behaupten zwar Habermas, Honneth und ihre Nachfolger der Frankfurter Schule, die die klassische Kritische Theorie nie sein wollte und nie war und versuchen mit diesem Verdikt die Kritische Theorie des Horkheimer Kreises als nicht anschlussfähig an den Fortschritt aus dem wissenschaftlichen Diskurs zu verbannen und so listig und trickreich zu vollenden, was Popper und Albert sich im Positivismusstreit in der deutschen Soziologie zum Ziel gesetzt hatten. Aber wahr ist es deshalb trotz ihres de facto halbwegs gelungenen Streichs gegen die richtige Kritische Theorie nicht. Wahr ist nämlich dagegen, worauf Wallat insistiert, „dass Horkheimer wie kaum ein zweiter nach den Erfahrungen mit dem Faschismus und Stalinismus die westliche liberale Demokratie (der USA) verteidigt und den östlichen Staatssozialismus dezidiert wie unmissverständlich kritisiert (hat) und dass er mit beidem (nicht nur) den unverständigen 68er-Revolutionären weit voraus“ war. Nur zog er daraus aber anders als jene Frankfurter Theoretiker, welche die Kritische Theorie für überholt erklärten und sie durch eine symbolisch interaktionistische Handlungs- und Kommunikationstheorie ersetzen wollten, die sie täuschend „neue kritische Theorie“ nannten, keine affirmativen Schlüsse. Er war und blieb „sich bewusst, dass das Unrecht kapitalistischer Herrschaft auch in der politischen Form liberaler, rechtstaatlicher Demokratie persistiert. Nach Auschwitz, dem stalinistischen Terror und angesichts der Fortexistenz der kapitalistischen Klassengesellschaft kam es ihm zu Recht nicht in den Sinn, den Negativismus und Pessimismus der Kritischen Theorie zugunsten eines affirmativen, sozialdemokratischen Theorietypus zu revidieren. Honneths Anerkennungsphilosophie, die von starken hegelianischen Prämissen lebt, und doch meint auf deren metaphysische Implikationen verzichten zu können, wäre für Horkheimer genauso systematisch widersprüchlich wie theoretisch unannehmbar gewesen wie Habermas‘ (meta-)biologische Spekulation auf das Gattungsvermögen der Kommunikation, die als nach-metaphysisch auszugeben, wenigstens fraglich sein dürfte. Was nach dem Tode Horkheimers als Fortführung und Weiterentwicklung Kritischer Theorie verstanden wurde, trennt de facto metaphysische Welten und stellt wenigstens ein Missverständnis dar. Dieses Faktum muss im Auge behalten, wer verstehen will, was Kritische Theorie im Geiste ihres Namensgebers (nicht) ist und will:
‚Nicht das Gute sondern das Schlechte ist der Gegenstand der Theorie. […] Ihr Element ist Freiheit, ihr Thema die Unterdrückung. […]. Der kompromißlose Haß gegen den an der letzten Kreatur verübten Terror macht die legitime Dankbarkeit des Verschonten aus. Die Anrufung der Sonne ist Götzendienst. Im Blick auf den in ihrer Sonne Glut verdorrten Baum erst lebt die Ahnung von der Majestät des Tags, der die Welt, die er bescheint, nicht zugleich versengen muß.‘ “ (Wallat)
Heinz Gess
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