Zum Inhalt:
Die Schere zwischen arm und reich in Deutschland driftet immer weiter auseinander. War schon der Zweite Armutsbericht ( s. Kritiknetz -http://bit.ly/Oe3cFE) in dieser Hinsicht alarmierend, so hat sich die Situation seitdem auch infolge der Untätigkeit der schwarz/gelben Regierung, die negativen Resultate früherer politischer Eingriffe zur Umverteilung des Vermögens von unten nach oben durch koorigierende Eingriffe zu mindern, dratisch verschlechtert.
So hat sich das private Nettovermögen von Anfang 1992 bis Anfang 2012 von knapp 4,6 Billionen auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt. Allein in der "Krisenperiode" zwischen 2007 und 2012 sei das private Nettovermögen - dazu zählen etwa Immobilien, Bauland, Geldanlagen oder Ansprüche aus Betriebsrenten - um 1,4 Billionen Euro gewachsen.
Dabei ist der Anteil des obersten Zehntels der privaten Haushalte nach Angaben des Arbeitsministeriuns "im Zeitverlauf immer weiter gestiegen". 1998 belief er sich auf 45 Prozent des gesamten Vermögens. 2008 befand sich in den Händen dieser Gruppe der reichsten Haushalte bereits mehr als 53 Prozent des Nettogesamtvermögens. Die untere Hälfte der Haushalte verfügt über nur gut ein Prozent des gesamten Nettovermögens.
Enorme Differenzen verzeichnet der Bericht auch bei der Lohnentwicklung: Sie ist "im oberen Bereich positiv steigend" gewesen, während die unteren 40 Prozent der Vollzeitbeschäftigten nach Abzug der Inflationsrate reale Einkommensverluste hinnehmen mussten.
Fortgesetzt hat sich auch der Trend des Abschmelzens des Vermögens des Staates. Es sei zwischen Anfang 1992 und Anfang 2012 um mehr als 800 Milliarden Euro zurückgegangen, während die Privatvermögen der reichsten 10% - mit einer höheren Wachstumsrate als jener mit der das öffentlche Vermögen abgebaut wurde - im selben Zeitraum kontinuierlich anstieg.
Diese Entwicklung ist alles andere als ein Zufall oder Resultat eines politischen Willküraktes, sondern systemimmanentes Resultat der kapitalistischen Produktionsweise. Die politischen Eingriffe der Schröder/Fischer - Regierung zur Beschleunigung des Akkumulationsprozesses des Standortkapitals waren keine Akte bewusster politischer Willkür im Dienste der herrschenden Klasse, sondern eine dem 'Sachzwang' der spezifisch kapitalistischen Produktions- und verkehrsweise, in dem sich die gesellschaftliche (Klassen-) Herrschaft versteckt, gehorchende systemimmanente Notwendigkeit, um die Konkurrenzfähigkeit des Standortkapitals im globalen Wettbewerb zu erhalten, m. a. W. das Wachstum der Größe der Akkumulation des Privatvermögens (Kapitals) auf einem Nivau zu halten, das mit der Akkumulationsrate in anderen Regionen der Welt Schritt hält.. Schröder /Fischer machten sich den in ein Naturgestz mystifizierten 'Sachzwang' - "es gibt keine Alternative" - zu eigen und gingen als seine führenden staatlichen Vollstrecker voran. Das kann nicht anders sein, wo kapitalistische Produktionsweise herrscht, und zwar so sehr herrscht, dass die ungeheure Mehrheit der Arbeiter und Angestellten sich selbst als variables Humankapital begreift, also die Tür zu einem Darüberhinaus zugeschlagen ist. Wo das so ist, ist die Größe der Akkumulation zwangsläufig das Entscheidende oder, mathematisch formuliert, die unabhängige Variable, die Lohngröße dagegen die abhängige Variable, nicht umgekehrt. Alle Versuche, diese Abhängigkeit durch politische Eingriffe umzukehren, müssen früher oder später scheitern und schlagen dann in eine heftige Gegenreaktion beschleunigter Verarmung eines Großteils der Bevölkerung und beschleunigter Akkumulation des Kapitlas um (s. derzeit: Griechenland, Portugal, Spanien). Das gehört zum immanenten Gesetz der kapitalistischen Produktionsweise. Es ist durch politische Eingriffe in seinen negativen Effekten zwar abzumildern, aber niemals umzukehren. Denn, so stellte bereits Karl Marx in einer Kritik der Ökonomie der kapitalistischen Produktionsweise klar: "Die Erhöhung des Arbeitspreises bleibt.. eingebannt in Grenzen, die die Grundlagen des kapitalistischen Systems nicht nur unangetastet lassen, sondern auch seine Reproduktion auf höherer Stufenleiter sichern. Das (...) mystifizierte Gesetz der kapitalistischen Akkumulation drückt also in der Tat nur aus, dass ihre Natur jede solche Abnahme im Exploitationsgrad der Arbeit oder jede solche Steigerung des Arbeitspreises ausschließt, welche die stetige Reproduktion des Kapitalverhältnisses (...) auf erweiterter Stufenleiter ernsthaft gefährden könnte. Es kann nicht anders sein in einer Produktionsweise, worin der Arbeiter für die Verwertungsbedürfnisse vorhandener Werte, statt umgekehrt der gegenständliche Reichtum für die Entwicklungsbedürfnisse des Arbeiters da ist. Wie der Mensch in der Religion vom Machwerk seines eigenen Kopfes, so wird er in der kapitalistischen Produktion vom Machwerk seiner eigenen Hand beherrscht." ( Marx, das Kapital Bd. 1, S. 649)
Heinz Gess
Wenn Sie den Bericht lesen möchten, klicken Sie bitte hier !
Berlin - Neuer Ärger um den Armutsbericht der Bundesregierung. Nach Angaben der "Süddeutschen Zeitung" wurden kritische Aussagen zum Auseinanderdriften der Einkommen gestrichen. Gegenüber der ersten Fassung vom September fehle im überarbeiteten Entwurf vom 21. November der Satz "Die Privatvermögen in Deutschland sind sehr ungleich verteilt", berichtet die Zeitung. Der Bericht sei ganz bewusst geschönt worden.Aussagen über steigende Löhne im oberen Bereich und sinkende im unteren Bereich seien ebenso getilgt worden wie solche über ein verletztes Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung und eine Gefährdung des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Stattdessen werde nun darauf verwiesen, dass im unteren Lohnbereich viele Vollzeitjobs entstanden seien.
Selbst bestimmte Fakten tauchten in dem Bericht jetzt nicht mehr auf. In der ersten Version habe es geheißen: "Allerdings arbeiteten im Jahr 2010 in Deutschland knapp über vier Mio. Menschen für einen Bruttostundenlohn von unter sieben Euro." Dieser Satz sei gestrichen worden.
Die erste Fassung war im Arbeitsministerium von Ursula von der Leyen (CDU) geschrieben und dann den anderen Ressorts vorgelegt worden. Es habe bei der Abstimmung mit den Ministerien Veränderungswünsche gegeben, bestätigte ein Sprecher des Arbeitsministeriums der Zeitung. Dies sei jedoch "ein ganz normaler Vorgang".
Bereits im September hatte es wegen des Textes in der Koalition Krach gegeben, weil ein Satz als Plädoyer für eine Vermögensteuer verstanden worden war. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) monierte damals, der Bericht entspreche "nicht der Meinung der Bundesregierung".
Kritik an dem Vorgehen kam jetzt umgehend von den Gewerkschaften: "Die Bundesregierung will entscheidende Aussagen des Berichts verwässern, verschleiern und beschönigen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach.
Aus dem Bundeswirtschaftsministerium hieß es: "Die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt und bei der Beschäftigung darf nicht gefährdet werden. Es ist deshalb gut, dass bei den Gesprächen Klarstellungen und Veränderungen gelungen sind." Der Entwurf des Armutberichts liegt derzeit den Verbänden vor und geht danach noch einmal an die zuständigen Bundesministerien. Im Kabinett soll der Armutsbericht nach derzeitigen Planungen kurz vor Weihnachten, am 19. Dezember, behandelt werden.
als/sev/dpa