"ein Geschlecht erfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können“ (Brecht).
Vorbemerkung der Autorin
Zugegeben: Als ich in der letzten Woche im "Amtsblatt" meiner Heimatstadt im NRW-Südzipfel zur "Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27.09.2009" las: "Wahlrecht ist Wahlpflicht", "Stimmenthaltung schwächt die Legitimation der Regierung" und "Nichtwähler unterstützen den Wahlgewinner" - da war ich weder verwundert noch verärgert. Denn ich kenne auch diese Politpappenheimer seit Jahrzehnten und weiß, welche Losungen hier plappermäulig fröhlich´ Urständ' feiern und daß nach dem Morgensternmotto ("Dass nicht sein kann was nicht sein darf") die subjektrationale Handlung des Nichtwählens auf Teufel komm´ raus denunziert und aus allen Rohren beschossen werden muß.
Zornig wurde ich bei der Lektüre der von der Bundeszentrale für Politische Bildung (bpb) herausgegebenen Beilage zur Wochenzeitung "Das Parlament" (38/09), in der sich unterm Leitwort Parlamentarismus nicht nur politologische Nebensächlich - keiten zum 27. September 2009 finden, sondern in der Orientierung aufs Letztdatum des ganzdeutschen "Superwahljahrs" 2009 grad in zwei kritisch gemeinten politologischen Beiträgen jede kritische Orientierung fehlt - als ginge es Karl-Rudolf Korte vordringlich um handlungsbezogene Paradoxata wie Umrechnung, Abwahl, Ungleichzeitigkeit, Lindenstraße, Abschwung und Ampel nebst interessensfalsifiziert- "postmodernen" Regierungsbildungsprozessen und Kurt Lenk um den "Drang" zur Politmitte als "Abschied von der Utopie" - grad so als wäre jede konzeptionell geleitete analytische Interessensstrukturanalyse im öffentlichen Diskurs tabuiert.
Um meinen Zorn wenigstens teilweise produktiv werden zu lassen kramte ich in alten Studieunterlagen und fand mein Referat in einem von Dr. Ulrike Albrecht (1941-1986) geleiteten politikwissenschaftlichen Proseminar im Wintersemester 1969/70 an der Universität [WH] Mannheim. Dort ging es um damals, vor vier Jahrzehnten, aktuelle Parlamentarismus-Kri-tik: Sie finden den erheblich gekürzten und sprachlich überarbeiteten Text hier auf den nächsten elf Seiten. So daß Sie, wenn Sie´s können, auch im Vergleich mit genannten APuZ-Beiträgen nachlesen können, was eine einfache Studentin damals vortrug und was prominente Lehrstuhl - politologen zur Sache heute, nach vierzig Jahren, vorbringen. Als Autorin habe ich bewußt darauf verzichtet, meinen "alten" Studientext zu aktualisieren. Ich diskutiere auch nicht die anregenden, wenngleich vor allem aufs politisch-institutionelle System bezogenen, "Postdemokratie"-Thesen von Colin Crouch. Verzichten möchte ich freilich nicht darauf, die in APuZ-Form gegenwärtig weitverbreitete Konformpolitologie als das zu kennzeichnen, was sie meiner Meinung nach ist: "Eine Festung der Engstirnigkeit", aus der - so W.E.R. weiter - "ausgesperrt wird, was nicht ins Bild paßt." Für diese "Wissenschaft" gilt: "Das Höchste, was man erhoffen kann" - so Bertolt Brechts Kunstfigur Galilei in seinem Wissenschaftlermonolog zu derlei Intellekt(ver)mietern - "ist ein Geschlechterfinderischer Zwerge, die für alles gemietet werden können“.
Wilma Ruth Albrecht