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Echtzeit des Kapitals. Über die Zukunft der Krise

Details
Geschrieben von: Joachim Bruhn
Kategorie: Kritik der Politischen Ökonomie, Staatskritik
Veröffentlicht: 15. September 2012
Zugriffe: 11252

Eine fulminante Abhandlung über die Zukunft der derzeitigen Krise.

 

 

 

 

Kostproben aus dem Text:
- Der notorische, zum Judenhaß und zum Antizionismus sich spreizende „Proudhonismus“ des linken Geldbegriffes wäre nur dadurch zu kurieren, daß man die sozialvölkische Propaganda gegen die Aufspaltung des Kapitals in spekulatives und produktives, in ‚raffendes’ und ‚schaffendes’, dadurch subvertiert und sabotiert, indem dargestellt wird, daß die sogenannte Spekulation nichts anderes darstellt als eine zutiefst und wesentlich kapitalproduktive Tätigkeit, weil die Rationalisierung des Geldumlaufs, die Beschleunigung und Verkürzung der Zirkulationszeit einen unmittelbar produktiven Dienst an der Kapitalakkumulation darstellt. Es gibt also nicht nur nicht den geringsten Grund, sich im Namen der produktiven Arbeit über die Spekulation zu erheben – vielmehr ist die erfolgreiche Spekulation und ist jede Hedge-Fonds-„Heuschrecke“ für die Akkumulation ebenso substantiell notwendig und konstitutiv wie noch jede Fließbandarbeit. Wer dagegen, wie etwa Sarah Wagenknecht, gegen den „globalen Geldadel“ agitiert, wird schon wissen, warum er die Spekulanten von derart anderer Rasse darstellt wie nur die bürgerlichen Revolutionäre von 1798 die kosmopolitische Aristokratie. Diese Zuspitzung der Kritik des Antisemitismus setzt allerdings den Bruch mit jeder Klassenmetaphysik der Arbeit voraus, den Bruch mit jedweder Interpretation, die das Kapital als wie immer entfremdete Selbstdarstellung der gesellschaftlichen Arbeit darzustellen beliebt, d. h. als einen entfremdeten Gesamtarbeiter, der irgendwie nicht recht bei Sinnen ist. Das Kapital wird keineswegs irgend durch Arbeit konstituiert, bedingt oder erfordert. Sondern die Arbeit ist jene Form der produktiven menschlichen Tätigkeit, wie sie vom Kapital gesetzt wird: als Naturkraft.


- Marx hat die Metaphysik der Deutschmark, die jetzt Euro heißt, so formuliert: „Der Vulgärökonom tut in der Tat nichts anderes als die sonderbaren Vorstellungen der in der Konkurrenz befangen Kapitalisten“ „in eine scheinbar mehr theoretische verallgemeinernde Sprache zu übersetzen und sich abzumühen, die Richtigkeit dieser Vorstellungen zu konstruieren“, d.h. sich im „schönen theoretischen Dualismus“ des Einerseits, dann aber natürlich auch des Andrerseits der Antinomie zu suhlen. Aber das Gelächter über diese gewitzten Idioten bleibt doch im Halse stecken, denn es verrät in seiner ganz unfreiwilligen Komik deren restlos verzweifeltes Bemühen, die Gesellschaftlichkeit in ihrer negativen Verkehrung als erste Natur sich anzueignen und einzuverleiben, sich zur verlebendigten Funktion zu machen, d.h. sich im Interesse der ewigen Akkumulation erst in der politischen Opposition, dann im Kampf auf Leben und Tod gegen die „Parasiten“, gegen die, die leben, ohne zu arbeiten und gegen die „Heuschrecken“ sowieso, zu rassifizieren. Wie sich das pluralistisch gehört, auch auf dem Boden der fdGO noch gar nicht anders sein kann, wird diese allgemeine Mobilmachung – denn der Narzißmus des Subjekts darf nicht zu kurz kommen –, und wird dieses die Leute agitierende Gesellschaftsprojekt in so nachhaltiger Diversifikation wie pseudoantagonistischer Kooperation unternommen. Jeder darf je nach Gusto. Es ist diese unendlich pluralisierte Form, in der sich derzeit die Generalüberholung dessen vollzieht, was als deutsche Ideologie sattsam bekannt ist: der nun aber definitiv „wahre Sozialismus“ des Volkes ist das dogmatische Ziel dieser noch einigermaßen chaotisch verlaufenden Suchbewegung der Keynesianer und aller anderen „Geld-Narren“.
 
- Derweil springt Professor Stefan Bornhold … mutig in die ‚Forschungslücke’ und stellt fest: „Es sollte aber vielmehr um die Frage gehen, an welchem Punkt ein System in einen ganz anderen, ungewollten Modus rutschen kann. … Wann genau dies passiert, kann das einzelne Atom nicht verstehen, weil es eine Systemeigenschaft des Zusammenwirkens aller Atome ist. Die Finanzwelt ist ein großes experimentelles System...“ Zwar ist die Nachricht doch sehr ernüchternd, dass das zwar an sich intelligible, aber doch total bornierte „einzelne Atom“ komplett blöde ist, und dass das im Körper des Geldfunktionärs verbürgte organische Theorie-Praxis-Verhältnis an sich zwar da sein muss, aber immer noch nicht zu seiner Technologie gefunden hat – aber das ist eben … das Stimulans eines interdisziplinären Forschungsprogramms, das alle diese Ansätze zusammenfassen soll und das, wie man hört, demnächst in Kooperation des Instituts für Soziologie (Freiburg) mit dem Center for Financial Research (Köln) und der Bank für Leihen und Schenken (Stuttgart) initiiert werden soll, das alles, wie es sich gehört, unter strenger philosophischer Observanz von Alain Badiou, Judith Butler und Antonio Negri. Da mag es zwar noch ernüchternd sein, wenn das „einzelne Atom“ laufend Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt, etwa von Nassim Nicholas Taleb, dem Entdecker des schwarzen Schwans, aber das ist kein Grund zur Verzweiflung, denn dessen These über das Eintreten der großen Krise – „Wenn ein Truthahn nach tausend Tagen geschlachtet wird, erscheint der Todestag dem Truthahn als unvorhersehbar, nicht aber dem Metzger“ – läßt doch hoffen, dass der Henker der anderen ein unsereins gnädiger Souverän sein wird.

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Joachim Bruhn schickte mir den Essay nach vorheriger Absprache Anfang Januar 2012 zur Veröffentlichung. Versehentlich unterblieb die Veröffentlichung. Der Text ist aber über den Augenblick hinaus gültig, und heute noch genau so lesenwert wie im Januar.

 

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