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"Volksklassenkampf". Die antizionistische Rezeption des Nahostkonflikts in der militanten Linken der BRD

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Geschrieben von: Volker Weiss
Kategorie: Israelkritik, Nahost
Veröffentlicht: 03. September 2007
Zugriffe: 14148
Shulamit Volkovs These, der klassische Antizionismus sei "ursprünglich und grundsätzlich ein ideologischer Standpunkt wie der Zionismus auch" und mit dem Antisemitismus keineswegs identisch, ist hinsichtlich des außerjüdischen Antizionismus zu überprüfen.
Bereits der sowjetische Antizionismus hatte nichts mehr mit einer Kritik der Palästinabesiedlung zu tun, wie sie noch vom "Bund", der jüdischen Arbeiterbewegung Osteuropas oder von Karl Kautsky für die II. Internationale formuliert worden war. Aus internationaler Perspektive war der innerjüdische Antizionismus mit der Vernichtung des europäischen Judentums marginal geworden - teils, weil die osteuropäische jüdische Kultur, der die religiösen und politischen Kritiker des Zionismus meist entstammten, zerstört worden war, teils, weil durch die Shoah der Gedanke einer Akkulturation widerlegt schien.
Mit der Westorientierung Israels und spätestens ab 1967 wurde der Staat dem "imperialistischen Block" zugerechnet. Der außerjüdische Antizionismus stieg zum sozialistischen Paradigma auf und beerbte nicht nur in der Sowjetunion den Antisemitismus. Als ideologische Klammer, die von den Staaten des Warschauer Vertrages bis hin in die Neue Linke die unterschiedlichsten Fraktionen der Linken einte, vermochte er sogar eine identitätsstiftende Funktion zu haben, ähnlich einem Prozeß nationaler Konstitution auf dem Rücken der Juden. Von einer Identität des Antizionismus mit dem Rassenantisemitismus ist dabei auch weiter nicht auszugehen. Nach Auschwitz vollzog sich jedoch innerhalb der Linken eine diskursive Verschiebung, die klassische Ressentiments in ein zeitgemäßes ideologisches Gewand kleidete. Hans Keilson weist auf das affektive Potential dieses vordergründig politischen Diskurses hin: "Die anscheinend linguistische Differenzierung zwischen Juden, Zionisten und Israelis ist eine Argumentationsfalle, konstruiert, um kritische und aggressive Möglichkeiten auf politischem Niveau gezielter ausbeuten zu können, wobei man die Vokabeln "Jude", "jüdisch" ausklammern kann."
Die militante Linke der BRD sah den Nahostkonflikt mit der Schablone des Vietnamkrieges nur als spätkolonialen Befreiungskampf. Sosehr durch Asien und Lateinamerika das Selbstverständnis der internationalen Solidarität im Bewußtsein verankert war, galt "Palästina" ihr als strategischer Dreh- und Angelpunkt des Imperialismus. Aufgrund dieses antiimperialistischen Paradigmas war sie unfähig, die historische Spezifik des Nahostkonflikts und das Gewicht der Shoah darin auch nur ansatzweise zu erkennen. Man linderte den Alpdruck der deutschen Geschichte auf Israel durch Verweis auf den Hauptwiderspruch zwischen "Trikont" und "imperialistischen Zentren". Israel existiert im antizionistischen Blick nur als monolithischer Block. Eine Analyse seiner vielfältigen sozialen und politischen Bruchlinien, wie sie seitens der radikalen Linken selbst noch in der Rückschau auf das nationalsozialistische Deutschland getätigt wurde, fand nicht statt. Das Land wurde zur Projektionsfläche für deutsche Vergangenheit und internationale Konflikte, der Zionismus zum Feind jeglicher Emanzipation stilisiert. Die gezielte Vermischung historischer Ebenen im Nahostdiskurs diffamierte den Zionismus als Faschismus und war mittels der vor allem im deutschen Sprechort unweigerlich enthaltenen nationalgeschichtlichen Diskursstränge Ausdruck einer Abwehraggression. Mit jeder Eruption des Nahen Ostens wurden neue Nazi-Vergleiche produziert. Susanne Heenen bezeichnet diese historischen Vermischungen der antizionistischen Rhetorik als "schamlosen Versuch einer Linken […], sich aus der deutschen Geschichte zu stehlen". Einer Beilegung des israelisch-arabischen Konfliktes war dies nicht dienlich. Volkov zufolge hat die weltweite Blüte des Antizionismus nach 1967 in Israel den Eindruck, "allein unter den Völkern" zu sein, nur bestätigt.
Die Linke der BRD hatte in ihrer Rezeption des Nahostkonfliktes die Kategorien einer materialistischen Analyse längst verlassen. Da der Antizionismus den Zionismus verschwörungstheoretisch zum konterrevolutionären Prinzip stilisierte, bewegte er sich in der Diskursstruktur des Antisemitismus, der das Judentum ebenfalls zum negativen Prinzip erhoben hatte. In der Reproduktion klassischer Stereotype des Antisemitismus zeigt sich die Einbettung des außerjüdischen Antizionismus in die longue durée des Judenhasses. Der außerjüdische Antizionismus funktionierte weitgehend als ticket für die tradierte Judenfeindschaft, seine ultima ratio war die Vernichtung Israels.



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