Andreas Disselnkötter fasst die Geschichte des "Kirchenstreits in Bielefeld", nachdem er nun offiziell zum Abschluss gekommen ist, treffend zusammen und kommentiert ihn in klarer Sprache. Es wird in dem kurzen Artikel deutlich gesagt, wer die Träger des konformistischen Protests in Bielefeld und wer ihre Verbündeten waren, wer mit anderen Worten in diesem Streit wie mit welchem Interesse agierte, und dass insbesondere die Kommunalpolitiker der Stadt Bielefeld, die örtliche Presse und die Fachhochschule in diesem Konflikt völlig versagt haben.
Über die Hauptakteure des Konfliktes ist in dem Artikel beispielsweise zu lesen:
"Zu den Hauptakteuren gehörten der frühere Presbyter der Paul-Gerhardt- Gemeinde, Hermann E. Geller, und Eitel Riefenstahl. Der frühere Fernsehleiter des Bielefelder WDR-Studios hat sich publizistisch in die Tradition seines verstorbenen Vaters gestellt. In seinem Buch 'Requiem für einen Gestapo-Mann - Hommage an meinen Vater' avanciert der ehemalige Gestapo- Angehörige, der bis zu seinem Tod als glühender Vertreter des NS-Systems galt, zum Opfer des Nationalsozialismus: 'Vom einsamen Kampf um ein bisschen Menschlichkeit im mörderischen Apparat der Gestapo zermürbt und innerlich zerbrochen, musste sich mein Vater nach Ende des Krieges und erniedrigender Internierung für die sog. Entnazifizierung auch noch seine Charaktereigenschaften quittieren lassen. Das gab ihm seelisch den Rest.' (S. 20) Der posthum neu definierten Geisteshaltung seines Vaters eiferte Eitel Riefenstahl nun durch Aktivitäten in der Bürgerinitiative nach, denn sein Vater sei 'ein Beispiel dafür, dass der Mensch auch in schwierigen Situationen Handlungsspielraum hat'. So beschreibt die historische Forschung eigentlich das Verhalten von Widerständlern im NS-Staat. Riefenstahl hat bei Lesereisen eine große Zuhörerschaft, die sich daran erfreut, dass Gestapo-Angehörige auch Opfer gewesen sein sollen. Sein Mitstreiter Hermann E. Geller stilisierte sich zum Verteidiger Gottes und sah sich in einer Linie mit Martin Luther, als dieser den bekannten Satz sprach: 'Hier stehe ich und kann nicht anders'. Solche und andere Äußerungen machten für den Soziologieprofessor Heinz Gess deutlich, dass die Bürgerinitiative ihre Abneigung gegen die Synagoge als theologischen Streit kaschierte. Seine sehr engagierten Analysen (http://www.kritiknetz.de) waren Teil der politischen Bildungsarbeit an der Fachhochschule. (...) Ausgerechnet die Fakultät für Sozialwesen, die sonst die Multikulti-Fahne hochhält, distanzierte sich jedoch, auch unter Einsatz juristischer Mittel, scharf von ihrem Mitglied. Jegliche Solidarität der in anderen Fällen für den Schutz von Minderheiten angeblich so sensibilisierten Kollegen blieb aus. Gess ist aus über 35 Jahren politischer Bildungsarbeit einiges gewohnt. Mit einem studentischen Projekt förderte er Sprechweisen zutage, in denen der Synagogenbau vor allem als christenfeindlicher Akt bezeichnet wurde oder eben antisemitisch. Es fanden sich auch Äußerungen, die eine drohende Wertminderung der benachbarten Immobilien durch 'Russen' und 'Juden' befürchteten. Besonders perfide, so Gess, sei die Berufung auf 'die Tradition' gewesen. Angeblich würde durch die Aufgabe der Kirche mit 'der Tradition"'gebrochen, insbesondere angesichts der Bedeutung jüdischen Lebens in Bielefeld. Unter den Politikern war es vor allem die FDP-Abgeordnete (MdB) Gudrun Kopp, die öffentlich über eine Streichung der Zuschüsse für den Synagogenbau nachdachte. Schließlich führe dieser ja zu einer 'Veränderung des Stadtbildes'. Für die Durchsetzung ihrer Ziele vertraute die Bürgerinitiative auch auf die Mithilfe der rechtsextremistischen 'Jungen Freiheit', die Freiexemplare ihres Blattes vor den Kirchentoren verteilen durfte."
Anmerkung in persönlicher Sache: siehe erweiterte Einführung
Anmerkung in persönlicher Sache: Es ist ist richtig, dass der Fachbereich Sozialwesen sich trotz der an ihn gerichteten Bitte der jüdischen Gemeinde, im "Kirchenstreit" fachlich Stellung zu beziehen und die vom Rektorat der FH verhängten Disziplinarmaßnahmen gegen mich und das Kritiknetz abzuwehren, nicht in der Lage sah, zum Kirchenstreit Stellung zu beziehen, und dass er auch nicht die Zivilcourage aufbrachte, die vom Rektorat gegen das Kritiknetz und mich verhängten Sanktionen zurückzuweisen. Der Fachbereichsrat des Fachbereichs Sozialwesen war nicht einmal dazu bereit, folgende Stellungnahme des Rektorats zurückzuweisen:
"Der Professor für Soziologie an der Fachhochschule (FH) Bielefeld hatte unter dem Titel 'Heiliger Krieg in Bielefeld' Schmähartikel ins Internet gestellt, in denen Verbindungen zur NS-Ideologie hergestellt werden. Rektorin Prof. Dr. Beate Rennen-Allhoff ließ den Link, der auf der FH-Homepage zum Artikel führt, inzwischen entfernen, weil - so Petra Werdin von der FH-Pressestelle - es sich dabei um 'eine private Angelegenheit' handelt, die nicht in Zusammenhang mit der Fachhochschule Bielefeld steht und mit der man auch 'nicht in Verbindung gebracht werden möchte'. Gess beklagt derweil den "Akt der Zensur" und hat seine als wissenschaftlicher Beitrag verbrämten Beschimpfungen erneut verlinkt. Die Besetzer der Paul-Gerhardt-Kirche..." (Westfalenblatt, 06 Juni 2007)
Soviel zur Solidarität im Sozialwesen, wenn der Angriff gegen die wenigen kritischen Theoretiker und Praktiker geht, die es m Sozialwesen überhaupt noch gibt. Überraschen kann das nur den, der sich über die gesellschaftliche Funktion des Sozialwesens als Dienstleistung in Warenform immer noch Illusionen macht und nicht wahrhaben will, dass dieser Fachbereich innerhalb der gesellschaftlichen Arbeitsteilung die Abteilung für den institutionalisierten konformistischen Protest ist. Ihm fällt die Aufgabe zu, alle emanzipatorischen Protestimpulse aufzugreifen und in Bedürfnisse umzumodeln oder durch Bedürfnisse zu substituieren, die mit Hilfe von marktgängigen Dienstleistungen befriedigt werden können. Das nennen "fortschrittliche Professoren" dieses Fachbereichs "die politische Produktivität der Sozialarbeit". Sie dürfen sich für solche Worthülsen zu Reklamezwecken des Beifalls der Branche sicher sein. Im gewissen Sinne ist die Abteilung ja auch tatsächlich "produktiv". Ihre Produktivität ist psycho-ideologischer Natur. Sie besteht darin, den Protestimpuls, der sich gegen die versachlichte, vermittelte Herrschaft und ihre willigen Vollstrecker richtet, so zu transformieren, dass die Kraft des Protestes am Ende eben dieser Herrschaft zugute kommt. Das geschieht, indem der Protest unmerklich um seinen wirklich gemeinten Sinn gebracht und ins falsche Ganze integriert wird. Aber eben nicht nur kognitiv integriert wird, sondern so, dass das falsche Ganze durch entsprechend zugerichtete leibliche Impulse, also die Produktion falscher Bedürfnisse (Marcuse) ins Innere selbst einwandert. Der Begriff "politische Produktivität" gibt dem gewissermaßen den richtigen affirmativen Namen, der sich in klingender Münze auszahlen soll. Nur selten gelingt es freilich, das Nicht-Identische ganz und gar gleichzuschalten, weshalb immer eine Unzufriedenheit mir der genossenen Psychodienstleistung zurückbleibt, die mit immer neuen Angeboten und nicht einhaltbaren ideologischen Gebrauchswertversprechen beantwortet wird.
So richtig also die Feststellungen des Autors zum Verhalten des Sozialwesens im Konfliktfall (deshalb) auch sind, so ist seine Feststellung, dass die anhaltenden juristischen Auseinandersetzungen Auseinandersetzungen zwischen der Fachbereichsleitung und mir sind, gleichwohl nicht ganz richtig. Richtig ist vielmehr, dass sie Auseinandersetzungen zwischen der Hochschulleitung und mir sind. Aber das ist nur ein kleiner Lapsus,der nicht wirklich von Bedeutung ist, Es sei aber der Korrektheit halber hinzugefügt.
Link zum Artikel (PDF): ""Antisemitismus der Tat"". Klicken Sie bitte hier.