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Hannah Arendts Bild des Holocaust

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Geschrieben von: Ingo Elbe
Kategorie: Soziologie
Veröffentlicht: 12. Oktober 2025
Zugriffe: 322

 

- mit einem Ausblick auf seine postkolonialen Erben

Ingo Elbe stellt im folgenden Text dar, dass Hannah Arendts Theorie der totalen Herrschaft in der postkolonialen Gegenwartsphilosophie als eine Art Ursprungsmythos für die Behauptung eines ungebrochenen Kontinuums biopolitischer Gewalt fungiert. Was bei Arendt zunächst noch als Versuch einer kritischen Theorie der Entstehungsbedingungen totalitärer Systeme erschien, werde zur ideologischen Matrix eines moralisch aufgeladenen Universalismus, der den Antisemitismus aus seiner geschichtlichen Spezifik herauslöst und in das abstrakte Schema „moderner Menschenfeindlichkeit“ einfügt.

Elbe arbeitet dabei drei zentrale Momente ihres Denkens heraus.

Erstens: Arendts Diagnose der Moderne als Prozess fortschreitender Entpolitisierung und Anthropologisierung, in dem der Mensch zum bloßen Reiz-Reaktions-Bündel degradiert wird. Der Holocaust erscheint in dieser Lesart nicht mehr als das Resultat einer spezifisch antisemitischen Ideologie, sondern als biopolitisches Unternehmen der Reduktion des Menschen auf „nacktes Leben“. Damit verwandelt sich die Shoah in ein austauschbares Symbol totaler Herrschaft und verliert ihren historischen Ort.
Zweitens: Arendts Bestimmung des europäischen Imperialismus als Laboratorium der totalitären Katastrophe dient postkolonialen Autoren als Bindeglied zwischen Kolonialismus und Holocaust. Die These vom kolonialen „Bumerang-Effekt“ ersetzt geschichtliche Vermittlung durch moralische Spiegelung. Auschwitz erscheint so nicht mehr als Zivilisationsbruch, sondern als Rückkehr Europas zu den eigenen kolonialen Praktiken – eine Projektion, die Schuldverlagerung als historische Aufklärung ausgibt.
Drittens: Arendts Kritik ethnischer Nationsbildung wird im postkolonialen Diskurs zum Hebel der Delegitimierung des Zionismus. Was bei ihr noch Ausdruck einer universalistischen Skepsis gegenüber dem Nationalstaat war, verkehrt sich in die Unterstellung, die jüdische Selbstbehauptung wiederhole die Logik totaler Herrschaft. Die Opfer des Antisemitismus werden so sekundär zu Komplizen seiner Form erklärt – eine ideologische Umkehrung, die aus der Distanz moralischer Weltbetrachtung spricht.
In dieser Rezeption verschmelzen Arendts Begriffe zu einem geschlossenen Deutungsapparat, der das Besondere im Allgemeinen aufhebt. Der „Muselmann“ des KZ wird zum Modell des modernen Subjekts, der koloniale Untertan zum Prototyp des biopolitisch verformten Menschen. Was als Kritik der Entmenschlichung begann, endet als Affirmation einer universalistischen Opfermetaphysik. Die postkoloniale Theorie reproduziert so genau jene Entspezifizierung des Leidens, die sie zu kritisieren vorgibt – und verwandelt Arendts politisches Denken in eine moralische Ersatzreligion der Gegenwart.

Heinz Gess

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