Der Sonderweg Europas im Werk von Cornelius Castoriadis in Zeiten des Kulturkampfes
Obwohl Cornelius Castoriadis einer der interessantesten und originellsten Sozialphilosophen des zwanzigsten Jahrhunderts sein dürfte und Habermas schon in den achtziger Jahren von Castoriadis Arbeiten als dem „originellsten, ehrgeizigsten und reflektiertesten Versuch, die befreiende Vermittlung von Geschichte, Gesellschaft, äußerer und innerer Natur noch einmal als Praxis zu denken“1 sprach, ist Castoriadis in Europa bis heute weitgehend unbekannt geblieben. Die spärliche Castoriadis-Rezeption in Deutschland dürfte auch daran liegen, dass hierzulande lieber mit den Großmeistern der Postmoderne der Abgesang auf Europa bzw. den Westen gesungen wird. Zu diesen Leuten gehört Castoriadis mit seinem äußerst anspruchsvollen Versuch einer grundlegenden Neufassung von Gesellschaftskritik und politischer Philosophie gewiss nicht.
Denn was die Großmeister der Postmoderne als vermeintlich bloßen Trug eines Sinnes mit den islamistischen Feinden der politischen Freiheit und Aufklärung defätistisch preisgeben, nämlich das Streben nach individueller und kollektiver Autonomie, die europäische (westliche) Aufklärung, die politisch-praktische Vernunft und die radikale Demokratie, verteidigt er mit Nachdruck als eine außergewöhnliche, zu bewahrende und weiter zu entfaltende Schöpfung des europäischen (griechischen) Denkens und als unverzichtbaren Bestandteil ‚guten Lebens‘. Viel spricht dafür, dass sein Werk wegen dieser seiner Opposition zur antieuropäischen (antiwestlichen) Aufklärungsphilosophie der Postmoderne bisher weitgehend unbekannt geblieben ist. Wallats Aufsatz ist ein Versuch, daran etwas zu ändern. (Heinz Gess)
1 Habermas, Jürgen: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen, Frankfurt/M., 1988, S. 380.
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