Helmut Dahmer stellt im ersten Teil des folgenden Essays zunächst dar, wie hilflos die Menschen früherer Zeiten Pandemien als seinerzeit unbeherrschbare Naturkatastrophen ausgesetzt waren und wie sie, um dieser Hilflosigkeit Herr zu werden mit Schuldprojektionen auf andere Unschuldige reagierten. Im zweiten Teil stellt er dann heraus, dass die Hilflosigkeit früherer Tage in der heutigen Zeit infolge des wissenschaftlichen Fortschritts der Naturbeherrschung von einem hohen Maß an Kontrolle über die „unsichtbaren Feinde“ menschlichen Lebens (Bakterien, Viren) und an möglichen Schutzvorkehrungen und Heilmitteln abgelöst worden ist, die es ermöglichen würden, Seuchen zu verhindern. Was die Verhinderung verhindert, ist kaum noch eine übermächtige Natur, sondern „das menschliche Habitat“, in dessen Innern „noch immer die Ungleichheit und Verteilungskämpfe zwischen den Klassen toben.“ „Nicht wenige der vermeintlichen „Natur“-Katastrophen der Gegenwart sind in Wahrheit Sozial-Katastrophen, und deren „naturale“ Camouflage verhindert die Suche nach den Faktoren hinter den (epidemiologischen) Fakten.“
Diesen Grundgedanken führt Dahmer im zweiten Teil aus, wendet ihn auf die derzeitige Situation an und kommt dabei zu bemerkenswert kritischen Einsichten, sowohl was die „Seuchenbekämpfung“ selbst als auch die vorherrschende Form der rebellischen Proteste auf die Seuchenbekämpfung und auf die gesellschaftliche Krise angeht. In beiden erkennt er Reaktionsweisen, die mit dem gesellschaftlichen Betrieb, der von seiner gesellschaftlichen Konstitutionslogik her notwendig die qualitative Ungleichheit der Klassen sowohl voraussetzt als auch immer neu wieder in steigendem Maße weltweit hervorbringt, bewusstlos gleichgeschaltet sind, also zwei Seiten desselben falschen Ganzen.
Heinz Gess
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