Offener Brief des iranischen Wissenschaftlers A. Dustdar an Jürgen Habermas anlässlich seiner Rede in der New Yorker Cooper University
Köln, den 3. September 2010
Der iranische Wissenschaftler Dustdar kritisiert Habermas in seinem öffentlichen Brief wegen seiner Nachgiebigkeit gegenüber den Forderungen ‚moderater’ religiöser Dogmatiker aus dem Iran, die vorgeben, ihre Version des Islam versöhne die islamische Dogmatik mit dem kritischen Rationalismus von Popper oder ähnlichen Philosophien, und die nun umgekehrt, dieselbe Versöhnungsbereitschaft von kritischen Rationalisten oder kritischen Theoretikern im Westen einfordern. Ich veröffentliche Dustdars Brief trotz gewisser sprachlicher Unklarheiten im Wortlaut.
Zuvor aber möchte ich selber eine Stellungnahme zu Habermas Auffassung abgeben:
Zuvor aber möchte ich selber eine Stellungnahme zu Habermas Auffassung abgeben:
Habermas geht offensichtlich wieder einmal mit der Zeit. Auch er entdeckt jetzt, wie wichtig es sei, die Politik mit religiösen Inhalten (des Islam) aufzufüllen. „Man erlaubt den Menschen (Muslimen) die Ausübung ihrer Religion, schreibt er, um fortzusetzen, "aber ihre Beiträge im politischen Prozess müssen frei von religiösen Inhalten sein."
Die vorgängige Frage, warum die Ausübung politischer Prozesse nicht von religiösen Inhalten frei sein sollte und was es umgekehrt für den in der Aufklärung durchgesetzten p o l i t i s c h e n Staat bedeuteten würde, wenn er wieder mit religiösen Inhalten aufgefüllt wird, stellt sich Habermas nicht. Würde er sie stellen und ernsthaft bedenken, würde als Antwort nämlich herauskommen, dass diese Forderung das Ende der Politik des politischen Staates und das Ende des Projektes der Aufklärung wären. Habermas aber sieht das neuerdings ganz anders. Er meint, die "Rücksichtnahme der Aufklärung" auf religiöse Mythen und normative Gehalte, die sich als Ableitungen aus dem einen göttlichen Ursprung legitimieren, fördere die „Erhaltung des normativen Inhalts der Moderne“ und fordert die „religiöse Community“ zum Kompromiss auf: Der Bereitschaft der Aufklärung, ihre Forderungen mit Rücksichtnahme auf religiöse Mythen und Vorstellungen hin auszugleichen, sollten „inspirierende Beiträge“ von ihrer Seite entgegenkommen.
Das ist die Liquidation der Idee der individuellen und menschlichen Emanzipation von Herrschaft und der Aufklärung, als deren Sprachrohr sich Habermas gleichwohl immer noch aufspielt, ist praktizierter Vollzug der Dialektik der Aufklärung - in der Maske ihrer Rettung durch Kompromissbildungen mit der autoritären Religion. Welche Phantasterei und welch ein Versagen des deutschen Großphilosophen! Als ob eine Religion, die in krassester Weise darauf insistiert, dass die im Bereich ihrer De-facto-Geltung herrschende gesellschaftliche Ordnung sich aus dem göttlichen Ursprungsprinzip (Koran und Scharia) ableiten lassen muss und dass alles, was sich aus diesem Ersten und Höchsten nicht ableiten lässt, minder ist, sich je mit der Aufklärung vereinbaren ließe, die die Außerkraftsetzung dieses Ursprungsprinzips ist, und als ob sie sich je und mit der in der Aufklärung gegen die Religion erkämpften Freiheit der Bürger zur politischen Selbstbestimmung im politischen Staat vereinbaren ließe.
Aus dem deutschen Großphilosophen, der versprach, das Projekt der Aufklärung fortzusetzen, ist der philosophische Vollstrecker der Dialektik der Aufklärung geworden.
Seine Wandlung vollzog sich in drei Schritten:
1. Als junger Mann gab er sich als kritischer Theoretiker, dem die "alten kritischen Theoretiker" insbesondere Herbert Marcuse aber auch damals schon zu radikal waren und stellte die Frage nach den normativen Grundlagen ihrer radikalen Kritik an dem, was Auschwitz hervorbrachte
2. Sodann machte er sich mit großem Fleiß daran, die Kritische Theorie der Gesellschaft durch die "Theorie kommunikativen Handelns" zu ersetzen und verbreitete erfolgreich das Gerücht, diese um ihren kritischen Kern gebrachte Theorie sei die "neue Kritische Theorie". Sie habe das Problem der normativen Grundlagen, an dem die "alte Kritische Theorie" gekrankt habe, gelöst und sei ihr deshalb überlegen. Tatsächlich aber hatte die Theorie kommunikativen Handelns die Kritische Theorie der Gesellschaft nur entsorgt, weil sie diese um die zentralen Bestandteile ihre Paradigmas gebracht hatte, das sind die Kritik der politischen Ökonomie, die Verzahnung dieser Kritik mit der freudianischen Psychoanalyse und das Verfahren der immanenten Kritik. Seine Theorie des kommunikativen Handels ist keine kritische Theorie mehr, sondern eine unkritisch-reformistische, konstruktiv-kritische Theorie. In diesem Sinn antwortet Habermas auch auf das aggressive Vordringen der Religion. Er bietet einen konstruktiven Kompromiss an, wo kritische Theoretiker der „alten Schule“ insistierende negative Kritik üben und die hinfällig bessere, säkulare politische Demokratie mit der Waffe der Kritik gegen den islamischen Gottesstaat verteidigen würden.
3. Schließlich findet er die definitive Lösung für die „normativen Grundlagen der Kritik“ in der Religion bzw. dem Auffüllen der Politik mit Religion, womit die Verkehrung der negativen, dialektischen Kritik der „kritische Theorie“ in die positive affirmative Kritik auf sicheren normativen Grundlagen im göttlichen Ursprung abgeschlossen ist. Beginnt für die Kritische Theorie der Gesellschaft die Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Menschen nach wie vor noch verlassene, geknechtete und verächtlich gemachte Wesen sind, bei der Religion als dem Geist dieser geistlosen Verhältnisse, so hört sie bei Habermas bei der Religion auf! Ist die Kritische Theorie die insistierende Kritik jeglicher Ursprungsphilosophie, so plädiert der Begründer der „Kommunikationstheorie sozialen Handeln“ für den faulen Kompromiss zwischen beiden. Ist die Kritische Theorie die Kritik der Dialektik der Aufklärung, so ist der späte Habermas ihr Vollstrecker im Jargon der Kritik. Habermas ist der deutsche Papst in der Philosophie.
„Der Stern Nr. 28 v. 08.07.2010 stellt das dar, wie es ist, wenn sich die Religion der Politik bemächtigt. Die Peitschenhiebe für die Frau durch einen maskierten Mann in Kairo zeigt eine derartige Durchdringung von Politik und Religion." (Dustdar)
Wenn Sie den offenen Brief von Dustdar an Habermas lesen wollen, dann klicken Sie bitte
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Das ist die Liquidation der Idee der individuellen und menschlichen Emanzipation von Herrschaft und der Aufklärung, als deren Sprachrohr sich Habermas gleichwohl immer noch aufspielt, ist praktizierter Vollzug der Dialektik der Aufklärung - in der Maske ihrer Rettung durch Kompromissbildungen mit der autoritären Religion. Welche Phantasterei und welch ein Versagen des deutschen Großphilosophen! Als ob eine Religion, die in krassester Weise darauf insistiert, dass die im Bereich ihrer De-facto-Geltung herrschende gesellschaftliche Ordnung sich aus dem göttlichen Ursprungsprinzip (Koran und Scharia) ableiten lassen muss und dass alles, was sich aus diesem Ersten und Höchsten nicht ableiten lässt, minder ist, sich je mit der Aufklärung vereinbaren ließe, die die Außerkraftsetzung dieses Ursprungsprinzips ist, und als ob sie sich je und mit der in der Aufklärung gegen die Religion erkämpften Freiheit der Bürger zur politischen Selbstbestimmung im politischen Staat vereinbaren ließe.
Aus dem deutschen Großphilosophen, der versprach, das Projekt der Aufklärung fortzusetzen, ist der philosophische Vollstrecker der Dialektik der Aufklärung geworden.
Seine Wandlung vollzog sich in drei Schritten:
1. Als junger Mann gab er sich als kritischer Theoretiker, dem die "alten kritischen Theoretiker" insbesondere Herbert Marcuse aber auch damals schon zu radikal waren und stellte die Frage nach den normativen Grundlagen ihrer radikalen Kritik an dem, was Auschwitz hervorbrachte
2. Sodann machte er sich mit großem Fleiß daran, die Kritische Theorie der Gesellschaft durch die "Theorie kommunikativen Handelns" zu ersetzen und verbreitete erfolgreich das Gerücht, diese um ihren kritischen Kern gebrachte Theorie sei die "neue Kritische Theorie". Sie habe das Problem der normativen Grundlagen, an dem die "alte Kritische Theorie" gekrankt habe, gelöst und sei ihr deshalb überlegen. Tatsächlich aber hatte die Theorie kommunikativen Handelns die Kritische Theorie der Gesellschaft nur entsorgt, weil sie diese um die zentralen Bestandteile ihre Paradigmas gebracht hatte, das sind die Kritik der politischen Ökonomie, die Verzahnung dieser Kritik mit der freudianischen Psychoanalyse und das Verfahren der immanenten Kritik. Seine Theorie des kommunikativen Handels ist keine kritische Theorie mehr, sondern eine unkritisch-reformistische, konstruktiv-kritische Theorie. In diesem Sinn antwortet Habermas auch auf das aggressive Vordringen der Religion. Er bietet einen konstruktiven Kompromiss an, wo kritische Theoretiker der „alten Schule“ insistierende negative Kritik üben und die hinfällig bessere, säkulare politische Demokratie mit der Waffe der Kritik gegen den islamischen Gottesstaat verteidigen würden.
3. Schließlich findet er die definitive Lösung für die „normativen Grundlagen der Kritik“ in der Religion bzw. dem Auffüllen der Politik mit Religion, womit die Verkehrung der negativen, dialektischen Kritik der „kritische Theorie“ in die positive affirmative Kritik auf sicheren normativen Grundlagen im göttlichen Ursprung abgeschlossen ist. Beginnt für die Kritische Theorie der Gesellschaft die Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse, in denen die Menschen nach wie vor noch verlassene, geknechtete und verächtlich gemachte Wesen sind, bei der Religion als dem Geist dieser geistlosen Verhältnisse, so hört sie bei Habermas bei der Religion auf! Ist die Kritische Theorie die insistierende Kritik jeglicher Ursprungsphilosophie, so plädiert der Begründer der „Kommunikationstheorie sozialen Handeln“ für den faulen Kompromiss zwischen beiden. Ist die Kritische Theorie die Kritik der Dialektik der Aufklärung, so ist der späte Habermas ihr Vollstrecker im Jargon der Kritik. Habermas ist der deutsche Papst in der Philosophie.
„Der Stern Nr. 28 v. 08.07.2010 stellt das dar, wie es ist, wenn sich die Religion der Politik bemächtigt. Die Peitschenhiebe für die Frau durch einen maskierten Mann in Kairo zeigt eine derartige Durchdringung von Politik und Religion." (Dustdar)
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