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Gefangen in Schattenidentitäten

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Geschrieben von: Christian Stock
Kategorie: Religions- und Ideologiekritik
Veröffentlicht: 15. April 2017
Zugriffe: 11092

Eine Kritik der Argument-Ausgabe Nr. 319 über westliche Islamdiskurse

Im islamischen Staat ist die Herrschaft der Religion die Religion der Herrschaft. Die Herrschaft durchdringt mittels der Religion alle Lebensbereiche und negiert darin alles mit ihrem Ursprungsprinzip Nichtidentische: es darf nicht sein. Wenn es von der gesellschaftlichen Herrschaft geduldet wird, dann nur als Minderes und nur, wenn die von als „Mindere“ Gesetzten den ihnen zugewiesenen sozialen Status als mindere Dhimmis klaglos hinnehmen und der Herrschaft für die Duldung als Mindere ihr Dankopfer für den gewährten „Schutz“ bringen. Wegen dieses realen Zusammenhanges kann die kritische Theorie der Gesellschaft, der es um die gesellschaftliche und individuelle Emanzipation von Herrschaft zu tun ist, gar nicht anders, als den Islam als Herrschaftsmythos, d. h. die Herrschaft des Islam als „Religion der Herrschaft“ (Marx, MEW 1, 359) zusammen mit der Herrschaft selbst zu kritisieren.

Würde sie anders handeln und etwa, weil namhafte Großkopfete der Theorie im politischen Islam einen Bündnispartner gegen den „imperialistischen Westen“ sehen, vor der Kritik der Religion der Herrschaft zurückschrecken, käme das ihrem Selbstverrat als kritischer Theorie gleich. Dieser Selbstverrat ist kennzeichnend für das Argumentheft Nr. 319 über „westliche Islamdiskurse“, das Christian Stock im nachfolgenden Text treffend kritisiert. Die Generalthese des Heftes ist: Alle westlichen Islamkritiken seien unabhängig von ihrem besonderen Inhalt Manifestationen krankhaften Verfolgungswahns (Phobie), der keinen Grund in der Religion der Herrschaft (Islam) habe.

Aber selbst wenn die Religion nicht unmittelbar Religion der Herrschaft ist, wie in den meisten islamischen Staaten, sondern der Staat als politischer Staat sich von der Religion emanzipiert hat, die Menschen als Bürger also Religionsfreiheit genießen, kann die kritische Theorie der Gesellschaft nicht auf die Kritik der Ursprungsphilosophie/Religion verzichten, solange die gesellschaftlichen Verhältnisse, der uralte Bann der Gefangenschaft der Menschen in gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen, wie versteckt auch immer, fortwest. Kritische Theorie der Gesellschaft ist Kritik sowohl der realen gesellschaftlichen Verhältnisse, d. h. Kritik der politischen Ökonomie, des Staates, des Rechts etc. als auch Kritik des Heiligenscheins eben dieser Verhältnisse, der Religion und ihrer ideologischen Abkömmlinge (Ersatzreligionen). Als Kritik, der es um die individuelle und gesellschaftliche Emanzipation von gesellschaftlicher Herrschaft geht, kritisiert sie die realen, von ihrer inneren Konstitution her ungerechten gesellschaftlichen Verhältnisse, die sich im Marktgeschehen verkehrt als „leitungsgerechte“ Verhältnisse zwischen Freien und Gleichen darstellen, damit die den Verhältnissen innewohnende Täuschung über die Verhältnisse, der Trug, Mythos oder Bann, in dem die Menschen gefangen sind, gebrochen werde und die Menschen durch die begriffene Enttäuschung endlich zu Verstande, zu ihrer praktischen gesellschaftlichen Vernunft kommen (Gattungsvernunft – Marx). Mit dem Ertragen der Enttäuschung ist es aber keine leichte Sache - auch dann nicht, wenn sie in ihrer immanenten Notwendigkeit begriffen wurde und der Impuls des kategorischen Imperativs von Marx (s. Marx, MEW 1, 385) die Seele des Enttäuschten durchbebt. Wie der Süchtige, auch wenn er sich zum Entzug entschlossen hat, nicht darum sogleich auch schon von seiner Sucht kuriert ist, sondern sich mitunter nach betäubendem Stoff oder einem passenden Ersatz geradezu verzehrt und alles dafür geben würde, sich wieder voll dröhnen und alles vergessen zu können, so ist auch der von den Verhältnissen mitsamt ihrem Heiligenschein radikal enttäuschte Mensch, der als ernüchterter, zu Verstande gekommener Mensch zu handeln beginnt, oft genug versucht, sich neu wieder in das illusorische Glück der Religion oder ihrer postmodernen Substitute zu flüchten, um sich die tiefe Enttäuschung aus Herz und Sinn zu schlagen und es - „zufrieden“ mit der Welt, wie sie ist - in ihr aushalten zu können. Damit das nicht geschieht und der falsche Ausweg verschlossen bleibt, bedarf die Kritik „der unheiligen Gestalt der Selbstentfremdung“ (K. Marx, MEW 1, 379) immerzu der ergänzenden „Kritik der Heiligengestalt der menschlichen Selbstentfremdung“ (ibd.).

So jedenfalls bestimmt Karl Marx die Aufgabe der Religionskritik in seinen Texten „Briefe aus den ‚Deutsch-Französischen Jahrbüchern’“, „Zur Judenfrage“ und „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung“. Angesichts dessen muss es denjenigen, die sich noch ihres Verstandes selbstständig bedienen, die Sprache verschlagen, dass die Zeitschrift „das Argument“, das sich als Forum des „pluralen Marxismus“ (W. F, Haug) versteht, jedwede vor Kritik an der „Religion der Herrschaft“ (Marx) als westliche Phobie und ’Wiederkehr des Faschismus’ aus bündnispolitischen Gründen diffamiert und bekämpft. Nach dieser irren Querfrontlogik wäre Marx, lebte er heute und würde an seinem Programm emanzipatorischer Kritik festhalten, auch nur ein Wegbereiter der ‚Wiederkehr des Faschismus’.

Nun aber zu der aufschlussreichen Kritik des Argumenthefts Nr. 136, von Christian Stock, den ich Ihrer Lektüre sehr anempfehle.

Heinz Gess

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