Marx hat die Arbeitswerttheorie der bürgerlichen Klassik nicht einfach übernommen und an einigen Stellen verbessert, wie manche Autoren meinen. Seine Kritik der politischen Ökonomie muß vielmehr als eine "wissenschaftliche Revolution" im Sinne von Kuhn (1962), als ein Paradigmenwechsel und nicht als Fortschritt innerhalb eines gegebenen Paradigmas aufgefaßt werden ( ). In Anlehnung an die Arbeiten von Althusser (1968, 1972) läßt sich dieser Paradigmenwechsel als Aufgeben einer anthropologischen Begründung des theoretischen Feldes der Ökonomie begreifen. Daß die Größe des (Tausch)Werts einer Ware durch die zu ihrer Produktion notwendige Arbeitszeit bestimmt sei, wurde von Adam Smith mit der Rationalität der einzelnen Waren-produzenten begründet.
Da die mit der Arbeit verbundene Mühe den wirklichen Preis für die Erlangung eines Dinges ausmache, werde es nicht gegen etwas getauscht, dessen Erlangung weniger Mühe verursache (Smith 1776, S. 37, 41) ( ). Im Gegensatz zu dieser Auffassung schreibt Marx im "Kapital": "Die Menschen beziehen also ihre Arbeitsprodukte nicht aufeinander als Werte, weil diese Sachen ihnen als bloß sachliche Hüllen gleichartig menschlicher Arbeit gelten. Umgekehrt. Indem sie ihre verschiedenartigen Produkte einander im Austausch als Werte gleichsetzen, setzen sie ihre verschiednen Arbeiten einander als menschliche Arbeit gleich. Sie wissen das nicht, aber sie tun es." (MEW 23, S.88, Hervorhebung von mir) Marx bestimmt den Wert gerade nicht durch einen Rekurs auf die Rationalität der Warenbesitzer, sondern als Ausdruck einer gesellschaftlichen Struktur, die den Individuen ihre Plätze anweist und eine bestimmte Rationalität überhaupt erst hervorbringt. Diesem neuen Terrain ökonomischer Begriffsbildung verdankt sich auch die Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Arbeit. Nicht konkrete Arbeit (die der einzelne Warenproduzent verrichtet und die ihm Mühe verursacht) sondern abstrakte Arbeit, d.h. Arbeit, die dadurch zu gesellschaftlicher Arbeit wird, daß sie im Tausch ihrer Produkte als gleiche menschliche Arbeit auf andere Arbeit bezogen wird, ist wertbestimmend. In der Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte (die eben kein natürliches sondern ein gesellschaftliches Phänomen ist) kommt der für die bürgerliche Gesellschaft spezifisch gesellschaftliche Charakters der Arbeit zum Ausdruck. Die Untersuchung dieses "spezifisch gesellschaftlichen Charakters" und nicht die Begründung des Satzes, daß das Austauschverhältnis zweier Waren den inkorporierten Arbeitsmengen proportional ist, ist der eigentliche Gegenstand der Marxschen Werttheorie ( ).
Link zum Artikel (PDF): "Was ist die Werttheorie noch wert". Klicken Sie bitte hier.
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