Linksdeutsche wollen C.G. Jung für "die Linke" aufbereiten. Sie wollen Linken, die für die idividuelle und gesellschaftliche Emanzipation streiten, einreden, ausgerechnet die Lehre von den "Archetypen des kollektiven Unbewussten", eine in Termini der Psychoanalyse verhüllte, normative Ursprungsphilosophie, sei das, was ihr zur Erlangung der kulturellen Hegemonie in Deutschland noch fehle.
Es mag sein, dass man in Deutschland so die "kulturelle Hegemonie" erlangen kann. Nur ist an dieser angeblichen Versöhnung von "analytischer Psychologie" und "Gesellschaftskritik" nichts, aber auch gar nichts mehr "links", sofern darunter, woran man in Deutschland freilich Zweifel haben kann, eine Praxis verstanden wird, die auf die individuelle und gesellschaftliche Emanzipation von Herrschaft zielt.
Es mag sein, dass man in Deutschland so die "kulturelle Hegemonie" erlangen kann. Nur ist an dieser angeblichen Versöhnung von "analytischer Psychologie" und "Gesellschaftskritik" nichts, aber auch gar nichts mehr "links", sofern darunter, woran man in Deutschland freilich Zweifel haben kann, eine Praxis verstanden wird, die auf die individuelle und gesellschaftliche Emanzipation von Herrschaft zielt.
Von der "linken""kritischen" Annäherung an C. G. Jung bleibt am Schluss nur die völlige Übernahme der autoritären Jungschen Archetypenlehre, eingekleidet ins Gewand »positiver Kritik«, die Propaganda für die autoritäre Selbstunterstellung unter angeblich "ewige Prinzipien" und die Propagandalüge, das sei ein "linkes Projekt", übrig.
Einer jener Linksdeutschen, die "der Linken" C.G. Jung als die Medizin empfiehlt, ist Tilmann Evers. Er will mit seinem Buch "Mythos und Emanzipation" zwischen der Krtitischen Theorie Adornos und der Ideologie von den Archetypen des kollektiven Unbewußten (C.G. Jung) vermitteln, um den alternativen Linken die Archetypen und die auf die Hypostasierung von Archetypen gründende Therapie und Lebensform schmackhaft zu machen. Diese Propagandastrategie mag in Deutschland, jenem Land, in dem die Linke immer schon einen starken autoritären Drall hatte und wenn auch nicht an den einen Gott des alten und neuen Testaments und die von ihm arrangierte "Heilsgeschichte", so doch an äquivalente "geschichtliche Gesetzmäßigkeiten", die sie meinte, exekutieren zu müssen, oder an den "notwendigen" dialektischen Umschlag des Kapitals" in "die Assoziation der freien Produzenten" oder andere unabänderliche Gesetzmäßigkeiten glaubte und ohne einen solchen autoritären Glauben, dem die Archetypenlehre nur den Schein von Wissenschaftlichkeit verleiht, nicht auskam, sogar aufgehen und ihre schlechten Früchte tragen. Aber vermitteln mit der krtischen Theorie der Gesellschaft lässt sich diese autoritäre Wende nie und nimmer. Die Kritische Theorie ist vielmehr immer die entschiedene Kritik einer solchen Wende. Von Beginn an hat sie über die autoritär-masochistische Charakterstruktur, die die Gefangenchaft in gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen verinnerlicht und im eigenen Leibe als Muskelpanzer verkörperlicht kritisch aufgeklärt und darauf aufmerksam gemacht, dass die gesellschaftliche Emanzipation von Herrschaft nicht gelingen kann, ohne die individuelle Emanzipation aus solchen Charakterstrukturen, die die Archetypentheorie des kollektiven Unbewußten zum unabänderlichen Bestandteil des menschlichen Wesens erklärt.
Auch nach der Lektüre von Evers "Mythos und Emanzipation" muss ich deshalb festellen: Zwischen der kritischen Gesellschaftstheorie und der Archetypenlehre von Jung gibt es nichts zu vermittteln. Die kritische Gesellschaftstheorie kann solche Ursprungspsychologien - und philosophien nur kritisieren als Lehren, die Herrschaft im menschlichen Sein selbst verankern wollen. Evers hat auch keine Vermittlung geleistet. Er täuscht sie nur vor. Er will den Aberglauben an die Vorvergangenheit hüten, als berge sie das "Wesen" und sich zugleich der "Linken" als "kapitalismuskritisch" empfehlen. Diese Strategie kann im neuen alten Deutschland, in dem "Nation" und "Kultur" auch bei Sozialdemokraten und Grünen immer noch völkisch verstanden werden als etwas mit dem man "kollektiv identisch" zu sein hat, und meist verleugnet wird, dass der Zwang zur "kulturellen Identität" mit Herrschaft und Unterdrückung zu tun hat, auch Erfolg haben. Nur hat das mit Freiheit und Emanzipation, mit kritischer Praxis oder gar der internationalen kommunistischen Assoziation nicht das Geringste zu tun. Das sehen die Begründer der kritischen Theorie, W. Benjamin, Th. W. Adorno, E. Fromm und verwandte Denker wie E. Bloch gänzlich anders. Sie alle haben in der Archetypentheorie C.G. Jungs reaktionäres ideologisches Bewußtsein gesehen und sich zu dem Geist, der aus ihr spricht, dezidiert ablehnend geäußert. W. Benjamin schreibt schon in den dreißiger Jahren an Scholem, Jung sei »zur Rettung der arischen Seele mit einer auf sie zugeschnittenen Therapie herbeigesprungen« und habe damit dem »Nationalsozialismus, der bereits seit einiger Zeit im Gange war,« einen »hilfreichen Dienst« erwiesen. »Jungs Psychologie« sei »Teufelszeug«. Adorno schreibt 1966, Jung habe die Entdeckung der »archaischen Bilder« von Freud übernommen, »um sie aus der psychologischen Dynamik gänzlich herauszulösen und normativ zu wenden«, und setzt dann fort: »Solche imagerie ist die gegenwärtige, Soziales verschlüsselnde Gestalt des Mythos. [...] Mythen sind es im strengen Sinne. Denn die Verwandlung in ein Inwendiges und scheinbar Zeitloses macht es unwahr. Die imagerie ist, wörtlich verstanden und akzeptiert, notwendig falsches Bewußtsein.« An anderer Stelle heißt es: »Die Werke [Strawinskis] imitieren den Gestus der Regression, wie er der Zersetzung der individuellen Identität zugehört, und erwarten sich davon das kollektive Authentische. Die überaus enge Verwandtschaft dieser Ambition mit der Doktrin C. G. Jungs[...] ist so schlagend wie das reaktionäre Potential. [...] Das "kollektive Unbewußte" bereitet den Umschlag zur Instaurierung der regressiven Gemeinschaft als eines Positiven vor.« »Mit der handstreichartigen Besetzung des kollektiven Standpunktes wird gerade dort, wo die gemütliche Konformität mit der individualistischen Gesellschaft gekündigt ist, Konformität zweiter und freilich höchst ungemütlicher Art bewirkt: die mit einer blinden integralen Gesellschaft, gleichsam einer von Kastrierten oder Kopflosen.« (Adorno 1958, S. 147)
Heinz Gess
Link zum Artikel (PDF): ""Konstruktive Kritik" der analytischen Psychologie als Entsorgung der Vergangenheit". Klicken Sie bitte hier.
Einer jener Linksdeutschen, die "der Linken" C.G. Jung als die Medizin empfiehlt, ist Tilmann Evers. Er will mit seinem Buch "Mythos und Emanzipation" zwischen der Krtitischen Theorie Adornos und der Ideologie von den Archetypen des kollektiven Unbewußten (C.G. Jung) vermitteln, um den alternativen Linken die Archetypen und die auf die Hypostasierung von Archetypen gründende Therapie und Lebensform schmackhaft zu machen. Diese Propagandastrategie mag in Deutschland, jenem Land, in dem die Linke immer schon einen starken autoritären Drall hatte und wenn auch nicht an den einen Gott des alten und neuen Testaments und die von ihm arrangierte "Heilsgeschichte", so doch an äquivalente "geschichtliche Gesetzmäßigkeiten", die sie meinte, exekutieren zu müssen, oder an den "notwendigen" dialektischen Umschlag des Kapitals" in "die Assoziation der freien Produzenten" oder andere unabänderliche Gesetzmäßigkeiten glaubte und ohne einen solchen autoritären Glauben, dem die Archetypenlehre nur den Schein von Wissenschaftlichkeit verleiht, nicht auskam, sogar aufgehen und ihre schlechten Früchte tragen. Aber vermitteln mit der krtischen Theorie der Gesellschaft lässt sich diese autoritäre Wende nie und nimmer. Die Kritische Theorie ist vielmehr immer die entschiedene Kritik einer solchen Wende. Von Beginn an hat sie über die autoritär-masochistische Charakterstruktur, die die Gefangenchaft in gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnissen verinnerlicht und im eigenen Leibe als Muskelpanzer verkörperlicht kritisch aufgeklärt und darauf aufmerksam gemacht, dass die gesellschaftliche Emanzipation von Herrschaft nicht gelingen kann, ohne die individuelle Emanzipation aus solchen Charakterstrukturen, die die Archetypentheorie des kollektiven Unbewußten zum unabänderlichen Bestandteil des menschlichen Wesens erklärt.
Auch nach der Lektüre von Evers "Mythos und Emanzipation" muss ich deshalb festellen: Zwischen der kritischen Gesellschaftstheorie und der Archetypenlehre von Jung gibt es nichts zu vermittteln. Die kritische Gesellschaftstheorie kann solche Ursprungspsychologien - und philosophien nur kritisieren als Lehren, die Herrschaft im menschlichen Sein selbst verankern wollen. Evers hat auch keine Vermittlung geleistet. Er täuscht sie nur vor. Er will den Aberglauben an die Vorvergangenheit hüten, als berge sie das "Wesen" und sich zugleich der "Linken" als "kapitalismuskritisch" empfehlen. Diese Strategie kann im neuen alten Deutschland, in dem "Nation" und "Kultur" auch bei Sozialdemokraten und Grünen immer noch völkisch verstanden werden als etwas mit dem man "kollektiv identisch" zu sein hat, und meist verleugnet wird, dass der Zwang zur "kulturellen Identität" mit Herrschaft und Unterdrückung zu tun hat, auch Erfolg haben. Nur hat das mit Freiheit und Emanzipation, mit kritischer Praxis oder gar der internationalen kommunistischen Assoziation nicht das Geringste zu tun. Das sehen die Begründer der kritischen Theorie, W. Benjamin, Th. W. Adorno, E. Fromm und verwandte Denker wie E. Bloch gänzlich anders. Sie alle haben in der Archetypentheorie C.G. Jungs reaktionäres ideologisches Bewußtsein gesehen und sich zu dem Geist, der aus ihr spricht, dezidiert ablehnend geäußert. W. Benjamin schreibt schon in den dreißiger Jahren an Scholem, Jung sei »zur Rettung der arischen Seele mit einer auf sie zugeschnittenen Therapie herbeigesprungen« und habe damit dem »Nationalsozialismus, der bereits seit einiger Zeit im Gange war,« einen »hilfreichen Dienst« erwiesen. »Jungs Psychologie« sei »Teufelszeug«. Adorno schreibt 1966, Jung habe die Entdeckung der »archaischen Bilder« von Freud übernommen, »um sie aus der psychologischen Dynamik gänzlich herauszulösen und normativ zu wenden«, und setzt dann fort: »Solche imagerie ist die gegenwärtige, Soziales verschlüsselnde Gestalt des Mythos. [...] Mythen sind es im strengen Sinne. Denn die Verwandlung in ein Inwendiges und scheinbar Zeitloses macht es unwahr. Die imagerie ist, wörtlich verstanden und akzeptiert, notwendig falsches Bewußtsein.« An anderer Stelle heißt es: »Die Werke [Strawinskis] imitieren den Gestus der Regression, wie er der Zersetzung der individuellen Identität zugehört, und erwarten sich davon das kollektive Authentische. Die überaus enge Verwandtschaft dieser Ambition mit der Doktrin C. G. Jungs[...] ist so schlagend wie das reaktionäre Potential. [...] Das "kollektive Unbewußte" bereitet den Umschlag zur Instaurierung der regressiven Gemeinschaft als eines Positiven vor.« »Mit der handstreichartigen Besetzung des kollektiven Standpunktes wird gerade dort, wo die gemütliche Konformität mit der individualistischen Gesellschaft gekündigt ist, Konformität zweiter und freilich höchst ungemütlicher Art bewirkt: die mit einer blinden integralen Gesellschaft, gleichsam einer von Kastrierten oder Kopflosen.« (Adorno 1958, S. 147)
Heinz Gess
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