Der im Folgenden wieder veröffentlichte Ausschnitt des Buches von Jan Rehmann Postmoderner Links-Nietzscheanismus. Deleuze & Foucault. Eine Dekonstruktion (Mangroven Verlag 2021) ist Teil eines Versuchs, eine postmoderne Nietzsche-Rezeption Deleuzes und Foucaults freizulegen, die die elitär-herrenmenschlichen Züge der nietzscheschen Philosophie ausblendete und auf diese Weise unerkannt weitervermittelte. Durch diese Zuschneidung entstand das links-nietzscheanische Bild eines lebensbejahenden “nomadischen” Rebellen, dessen Kritik weitaus radikaler sei als die von Marx und Freud sowie die an ihnen anschließenden Richtungen der Kritischen Theorie.
Der folgende Ausschnitt zeigt diese folgenschwere Uminterpretation am Beispiel von Nietzsches Religionskritik sowie seiner neu-religiösen Konstruktion einer “ewigen Wiederkehr”, die von Deleuze und Foucault kritiklos nacherzählt werden. Dabei wird verdrängt, dass Nietzsches Religionskritik nicht wie bei Marx in der Perspektive aufgeklärter Handlungsfähigkeit, sondern im Gegenteil vom Standpunkt unvermittelter aristokratischer Herrschaft aus erfolgt. Weithin unbeachtet blieb auch, dass Nietzsche v.a. vom Theologen Julius Wellhausen einen kulturprotestantischen Antijudaismus übernahm und ihn zu einer spezifischen Verbindung von Antisemitismus und Klassismus von oben weiterentwickelte, die er auch gegen den “Sozialmoralismus” des Christentums, die Demokratie und die sozialistische Arbeiterbewegung wenden konnte. Eine ideologiekritische Rekonstruktion des Antisemitismus ist heute umso dringlicher als seine begriffliche Bestimmung heftig umkämpft und zum Objekt intensiver politischer Instrumentalisierungen geworden ist. (Rehmann)
In der Kritiknetz-Debatte über die negative Metaphysik von Karl Heinz Haag wird zur Begründung der Kritik dieses Umschlags der negativen Metaphysik in eine positive Theologie beim späten Haag, insbesondere bei Hendrik Wallat (https://www.kritiknetz.de/ideologiekritik/1588), in positiver Weise auf Nietzsches Anti-Metaphysik und Anti-Theologie Bezug genommen, ohne in diesem Zusammenhang auf die autoritären, herrenmenschlichen Züge der Philosophie Nietzsches zu verweisen. Das könnte zu einer falschen Vorstellung von der Philosophie Nietzsches führen, zumal in der postmodernen Nietzsche-Rezeption Deleuzes und Foucaults die autoritären und rassistischen Züge der nietzscheschen Philosophie ausgeblendet werden. Durch diese selektive Zuschneidung in der postmodernen Literatur ist „das links-nietzscheanische Bild eines lebensbejahenden ‚nomadischen‘ Rebellen“ (Jan Rehmann) entstanden. Um dem vorzubeugen, veröffentliche ich den folgenden Auszug aus dem Buch von Jan Rehmann. Noch besser wäre es freilich das ganz Buch zu lesen, um sich über den „lechts-rinken“ (Jandl) Charakter der Philosophie Nietzsches Klarheit zu verschaffen. (Heinz Gess)
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