Eine ausführliche Würdigung des politischen Hauptwerks des linken Sozialrevolutionärs Isaak N. Steinberg.
Isaak Nachman Steinberg kämpfte in der Oktoberrevolution 1917 auf Seiten der linken Sozialrevolutionäre auf Seiten der revolutionären Koalitionsregierung von Bolschewiki und linken Sozialrevolutionären. Er wurde für wenige Monate erster Justizkommissar der revolutionären Regierung. Als Volkskommissar für Justiz kämpfe er erfolglos gegen die extralegale Gewalt der Tscheka. Sein Bruch mit den Bolschewiki brachte ihm eine Haft im Butyrki-Gefängnis ein und zwang ihn ins Exil. Dort erschien 1923 in Berlin sein Buch „Das sittliche Antlitz der Revolution“.
In ihm reflektiert er auf seine Erfahrungen in der Oktoberrevolution, in der er für einige Monate Justizkommissar war, stellt dar, warum die bolschewistische Praxis des Terrors zur Rettung der Revolution diese mit innerer Notwendigkeit in Selbstverkehrung untergehen ließ und untersucht, wie sich die Antinomien der kommunistischen Revolution, die auf Gewaltlosigkeit und Freiheit zielt und doch revolutionäre Gewalt in der Übergangphase benötigt, und um die Tür zu jener besseren gesellschaftlichen Praxis aufzustoßen, in der revolutionären Praxis lösen ließen, ohne dass es zur bolschewistischen Verkehrung der revolutionären Intention kommt , die auf Freiheit im emphatischen Sinne geht.
„Ausgangspunkt von Steinbergs Ausführungen ist das „Leiden der Revolution“ (Kap. II) und die systematische Erörterung des Terrors als primäre Ursache dieses Leidens (Kap. III-IV). Darauf folgt eine historisch-empirische Darstellung des Terrors während der russischen Revolution (Kap. V-VIII). Danach erörtert Steinberg in zahlreichen Kapiteln systematisch die Frage nach der (Il-)Legitimität, der Begründung und des Nutzens des Terrors, primär in der Russischen Revolution, aber auch mit Bezug auf die historische Erfahrung mit der Französischen Revolution. Normativer Bezugspunkt ist dabei durchgängig „Der innere Sinn des Sozialismus“ (Kap. XV), sowie das Verhältnis von „Mensch und Klassenfeind“ (Kap. XVI-XVII). Die Diskussion der Französischen Revolution, in deren Spiegel sich alle sozialistischen Gruppierungen der Russischen Revolution selbst verorteten, nimmt Steinberg in den umfangreichen Erörterungen über „Das Danton’sche und das Robespierre’sche Prinzip der Revolution“ (Kap. XXVI-XXVII) wieder auf. Unter der (eher missverständlichen) Überschrift „Geschichte des Gewaltproblems“ (Kap. XXVIII) kritisiert Steinberg sodann den Marxismus in all seinen Fraktionen (von der Sozialdemokratie über die Bolschewiki bis zu den Rätekommunisten). Auf das die Gewaltfrage resümierende Kapitel „Welche Gewalt ist erlaubt?“ folgt abschließend die Erweiterung der Fragestellung auf „Die Antinomien des Sozialismus“ (Kap. XXX).“ (Wallat)
Trotz der negativen Erfahrungen Steinbergs mit den Bolschewiki hält Steinberg der Oktoberrevolution als emanzipatorischer Revolution die Treue. Er weiß darüber hinaus auch die Marx’sche Kritik der kapitalistischen Marktgesellschaft als herausragenden Beitrag zum Verständnis der sozialen Zusammenhänge und des darin eingelagerten Unrechts zu würdigen. Seine Reflektionen stellen also keine abstrakte Negation der Marxschen kritischen Theorie und politischen Praxis dar. Wohl aber ist der autoritär-dogmatische, identitäre Marxismus, wie er bis heute in der Linken weiterwirkt, für Steinberg in analytischer wie in normativer Hinsicht defizitär. Wie insbesondere auch seine Erfahrungen mit den Tscheka-Bolschewiki in der Revolution zeigen, die sich ebenfalls auf Marx und Engels berufen können, vereinseitigt er sowohl die kritische Analyse der Gegenwart als auch Fragen über den Sinn und Zweck der Revolution durch einen „szientistischen Ökonomismus“ (Wallat), der auf einer optimistischen deterministischen Geschichtsphilosophie basiert. Sie betrachtet Steinberg als Haupthindernis im autoritären Marxismus, „eine autonome Moral emanzipatorischer Praxis zu entwickeln, deren Absenz eine der Voraussetzungen des Umschlags von sozialrevolutionärer Gewalt in politischen Terror war. Insbesondere die Frage der Moral der sozialen Revolution stellt Steinbergs spezifischen Beitrag zur Tradition libertärer Marxismuskritik dar, die ihre Vertiefung in seiner Bolschewismuskritik erfahren hat. Seine Kritik am Marxismus dient im Grunde diesem eigentlichen Ziel: der reflektierten und begründeten Absage an den Bolschewismus.“ (Wallat)
Hendrik Wallat rekonstruiert in dem folgenden Essay systematisch die zentralen Gedankengänge Steinbergs .
Heinz Gess
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