oder: Wie man mit dem Hammer über die Zukunft unserer Bildungs-Anstalten philosophiert
Der folgende Essay von Gerhard Schweppenhäuser hat Christoph Türckes Kritik der Ideologie der verselbständigten ‚totalen Vermittlung‘ zum Thema. Für sie ist die verselbständigte gesellschaftliche Vermittlung das funktionale Äquivalent für Gott. Die totale Vermittlung ist der Fetischgott des in Kompetenzmodule ohne inneren Zusammenhang zerstückelten Bildungs- und Wissenschaftsbetriebes. Der falsche immanente Gott erscheint im Bildungs- und Wissenschaftsbetrieb als allgemeine Didaktik für den Erwerb von verwertbaren Kompetenzen oder Wissenswaren.
Der Aufsatz hat zwei Teile. Im ersten Teil der Untersuchung geht es um die verselbständigte „Vermittlung als Gott“ und, weil die Vermittlung im postmodernen Wissenschaftsbetrieb als allgemeine Didaktik auftritt, darüber hinaus auch um „die theologischen Grillen und metaphysischen Mucken der Didaktik“. So lautet auch der Titel des Buches von Christoph Türcke, auf das sich Schweppenhäuser in diesem ersten Teil seine Essays hauptsächlich bezieht. Gegenstand der Untersuchung ist hier das welthistorische Problem der Vermittlung von Besonderem und Allgemeinem. Als Resultat des weit ausholenden philosophischen Gedankenganges ergibt sich hinsichtlich der Zukunft unserer Bildungsanstalten, dass die moderne Didaktik nicht nur zu Verblendung und Rechtfertigung führe, sondern auch nach Kräften dazu beitrage, Heranwachsende optimal an die Erfordernisse der Kommodifizierung und Durchkapitalisierung anzupassen. Dies erfolge mit Hilfe der „Umformulierung aller für sinnvoll erachteten Lernstoffe in Qualifikationen, die mittels behavioristischer Methoden quantifiziert und praxistauglich gemacht werden.“(1) Diese Vorgehensweise reduziere Individuen, Subjekte von möglichen Lern - und Bildungsprozessen zu bloßen Qualifikationsbündeln und angepassten intelligenten Reaktionsbündeln, die sich auf dem Arbeitsmarkt gut verkaufen können.
Im zweiten Teil seines Aufsatzes skizziert Schweppenhäuser dann die von Christoph Türcke dargestellten negativen Konsequenzen dieser Entwicklung für das Schulwesen und das Berufsbild für Lehrer/innen. Dazu bezieht er sich vornehmlich auf Türckes Buch „Lehrerdämmerung. Was die neue Lernkultur in den Schulen anrichtet“ (München 2016). Zentral ist hier der Gedanke, dass sich die „neoliberale Deregulierung“ und Individualisierung von der Stange die Menschen unter dem Deckmantel eines „demokratischen Unterrichtsstils“ zu „Kompetenzkrüppeln“ zurichte, „die idealerweise wie Maschinen für jede bestimmte Kompetenz programmierbar gemacht würden, und dessen verlustig gingen, „was den emotionalen Boden des menschlichen Kompetenzerwerbs ausmacht, nämlich Wünsche, Erwartungen, Ängste, Intentionen, Ziele. Daher wüssten die so geformten Individuen „erschreckend wenig, weil sie alles googlen können, aber unfähig sind sich in Sachverhalte so zu vertiefen, dass sie ihnen zu eigen, vertraut, lieb und wert werden. Das nämlich kann man nur von Menschen lernen“ (Türcke a.a.O. S.18) – zum Beispiel von Lehrern. Diese aber werden im Zuge der neoliberalen Deregulierung und Individualisierung zunehmend für überflüssig erklärt.
Der Aufsatz endet mit dem Aufruf Türckes an alle Lehrer/innen, gegen ihre Selbstdegradierung, die von der neoliberalen Bildungstheorie und -administration betrieben wird, beherzten Widerstand zu leisten. Dann hätte eine neu Lernkultur eine Chance.
(1) S. dazu auch:
Heinz Gess, Thesen zur Kritik der autoritären, kapitalförmigen Transformation der Hochschule (2008) in: Kritiknetz – Zeitschrift für kritische Theorie der Gesellschaft
https://www.kritiknetz.de/hochschul-undbildungspolitik/65
ders.: Für ungegängelte Wissenschaft (2008), in: Kritiknetz – Zeitschrift für kritische Theorie der Gesellschaft. Link: https://www.kritiknetz.de/hochschul-undbildungspolitik/280
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