Aus unterschiedlichen Anlässen habe ich im Kritiknetz in mehreren Artikeln dargelegt, dass und wie im linksdeutschen Diskurs über die Rechte, Nationalsozialismus, Nation und Nationalismus, Antizionismus, Islamismus, „das bürgerliche Geldsystem“ und „den Kapitalismus“ neu-rechte ideologische Denkformen im linken Jargon wiederkehren, die selber Kernbestandteil der Ideologie der nationalsozialistischen-deutschen Revolte waren. (1)
Der hierzulande hegemoniale Jargon ermöglicht es, sich heute mit Denkfiguren desselben ideologisch „verkürzten Antikapitalismus“ (Postone) als Antifaschist, Antinationalist und antizionistischer Israelkritiker zu inszenieren, der Deutsche in den dreißiger Jahren des vergangenen Jahrhunderts für die nationalsozialistischen Revolte einnahm oder veranlasste, aus der Arbeiterbewegung in die SA überzulaufen. Indem man diese Denkform dazu benutzt, im Nachhinein mit dem Nationalsozialismus von links abzurechnen, erscheint sie neu wieder - im links-grünen Jargon - als akzeptabel und gegen jenen Verdacht erhaben, eine neue, den veränderten Verhältnissen angepasste Version der alten deutschen Ideologie des konformistisch- romantischen Protests zu sein. Nicht sie, sondern die vehementen Kritiker dieser Ideologie und – selbstverständlich - die Judenrepublik Israel ziehen wie immer schon in Deutschland den Zorn der Mehrheit auf sich und werden als „Antideutsche“, „Verräter an der Sache“, „Spalter“, „Rechte“ oder wegen ihrer Kritik des antisemitischen Wahns im “heiligen Krieg gegen Israel“ als „islamophob“ und „neue Antisemiten“ gebranntmarkt, weil aus dieser Sicht Islamophobie als neue Form des Antisemitismus gilt.
Wolfgang Fritz Haug hat diese Form deutscher Erinnerungs- und Schuldabwehr durch „Aufarbeitung“ der Vergangenheit in seinem bekannt gewordenen Buch „hilflosen Antifaschismus“ genannt. Das ist aber bestenfalls nur eine Seite der Wahrheit und deshalb, wenn die andere Seite im Dunklen bleibt, ganz falsch. Denn diese Form der scheinbaren Aufarbeitung ist alles andere als „hilflos“. Sie ist auch in ihrem Kern nicht antifaschistisch. Sondern sie ist eine Reflexionsform, die faschistischen Denkfiguren Unterschlupf und der Bereitschaft zur faschistischen Revolte konstruktiv-kritisch begriffliche Deckung gewährt, statt sie im Geiste der Kritischen Theorie der Gesellschaft und Praxis der menschlichen Emanzipation durch rücksichtslos negative Kritik zu destruieren. Was im Ernstfall als „Hilflosigkeit“ erscheint, ist nur die Folge dieses schlechten Paktes.
Wer die Form und Funktion der links-deutschen Erinnerung- und Schuldabwehr durch Aufarbeitung der deutschen Nazi-Vergangenheit begriffen hat, den wird die ärgerliche Tatsache, dass Judith Butler nun von deutscher Seite ausgerechnet noch der Adorno Preis verliehen werden soll, nicht wirklich überraschen. Denn sie eine internationale Wortführerin dieser mittlerweile globalisierten ideologischen Revolte, die 1933 in „die deutsche Revolution“ von 1933 einmündete.
Von welcher Art diese scheinbar „antikapitalistische Revolte“ ist, und warum sie selber Bestandteil jener ideologischen Formation ist, die zu bekämpfen sie vorgibt, darüber gibt der Essay von Moishe Postone, Nationalsozialismus und Antisemitismus Auskunft. (2)
Heinz Gess
Wenn Sie den Essay von Postone "Nationalsozilismus und Antisemitismus" lesen möchten, dann bitte ich Sie feundlicherweise, hier zu klicken.
---------------------------------------------------------------
1. Dazu gehören unter anderem:
-Die neue Rechte und ihr (pseudo- )linkes Gegenstück. Kulturrevolution von Rechts im Jargon des linken Kulturrelativismus (bit.ly/NTYmwQ9)
- Den Wald vor lauter Bäumen sehen. Was eine Kritik des Nationalsozialismus nicht vergessen darf. (bit.ly/Ku2sIM)
- Die konformistische Dauerrevolte Neuer Rechter aus der Linkspartei (bit.ly/z7NixK)
- Manifest der emanzipatorischen Linken (bit.ly/J4bwAi)
s. auch Heinz Gess, Vom Fascismus zum neuen Denken C. G. Jungs Theorie im Wandel der Zeit, Lüneburg 1994 (vergriffen: wenige Restexemplare sind noch über amazon poder direkt über mich zu erhalten)
2.erstmals veröffentlicht in Merkur, H1 1982 S:13- 25, hier wiederabgedruckt in der vermutlich identischen
Version, in der sie in der nicht mehr existierenden Zeitschrift „Kritik und Krise“ H. 5, S. 6ff (Freiburg) erschienen ist.