Am Sonntag (14. 10. 2007) bekam der Historiker Saul Friedländer in der Frankfurter Paulskirche den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Er wurde als Sohn jüdischer Eltern in Prag geboren, überlebte den Holocaust in Frankreich versteckt, seine Eltern wurden in Auschwitz ermordet. In seinem zweibändigen Hauptwerk, "Das Dritte Reich und die
Juden", 2006 vollendet, verknüpft er die Geschichten von Tätern mit denen der Opfer, die er in Tagebucheinträgen zu Wort kommen lässt. Er hat damit das umfassendste Werk über den Holocaust geschaffen - zuvor hatte sich die Forschung allein auf die Täter konzentriert.
Aud diesem Anlasss sei zur Ehrung Saul Friedländers hier die Laudatio auf ihn vom Historiker Prof. Dr. Hans Mommsen und Saul Friedländers bewegende Dankesrede wiedergegeben
Kommentar:
"Friedländer, der einer eher intentionalistischen Interpretation zuneigt, ohne funktionalistische Gesichtspunkte unberücksichtigt zu lassen, neigt dazu, in "ideologisch-kulturellen Faktoren", damit im Komplex des Antisemitismus, die "wesentlichen Triebkräfte der nationalsozialistischen Judenpolitik" zu sehen, während er den politischen und institutionellen Faktoren eine eher untergeordnete Bedeutung einräumt.Eine Interaktion zwischen der SS Zentrale und den nachgeordneten Behörden im Zug der "Endlösung" lehnt er ab und sieht das Entscheidungspotential ausschließlich bei Hitler und Himmler. Ohne deren "zwanghaftemnAntisemitismus" sei die Eskalation der Verfolgung bis zum systematischen Massenmord nicht möglich gewesen. Jedoch sei dieser mit der in Deutschland schon länger entstandenen "antijüdischen Kultur", welche die Widerstandskräfte der Gesellschaft gegen die Verfolgung immunisierte, zusammengetroffen. (...)
Und wie sieht es heute aus? Auch heute sind immer noch ein Drttel der Deutschen der Überzeugung, dass der Nationalsozialismus auch seine guten Seiten gehabt habe und man nicht alles schlecht reden dürfe. Nahezu ein jeder in der Enkelgeneration ist der Überzeugung, dass sein 'Opa kein Nazi', sondern ein heimlicher Held im Widerstandskampf oder ein Opfer (des Systems) war. Dazu passt ausgezeichnet, dass die 'geläuterten Deutschen' (Schröder) mit ihren lauteren heroischen Opas fest davon überzeugt sind, dass Israel der Nazi-Staat von heute ist und die Juden den Palästenensern dasselbe antun, was die Nazis den Juden seinerzeit angetan haben. So können sie wie ihre Opas weitermachen: sich als Opfer fühlen und sich mit anderen "Opfern" soldarisieren, die sind wie sie, gegen die Nazis von heute (Israel) heldenhaft
Widerstand leisten, so wie damals Opa in der Gestapo Widerstand übte, und gleichwohl mit "gutem Gewisssen" in der alten Tradition des deutschen Christentums oder des deutschen Antichristen, die in dieser Hinsicht an einem Strang zogen, auf die Juden (verbal) einschlagen, was das Zeug hält und sich auch noch in der falschen Sicherheit wieder, sie nehmen am Kampf für die 'Befreiung der Völker' aus der Knechtschaft des Kapitalimus teil (so wie Prantl von der SZ es seit vielen Jahren vormacht), während sie es sind, die die Tür zur politischen und menschlichen Emanzipation erst definitiv zuschlagen.
So ist dieses Deutschland. Es kann nicht aufhören, sondern muss weitermachen getreu seinem alten falschen Wahrspruch: "Am deutschen Wesen soll die Welt genesen", bis alles in Scherben fällt.
Aufhören kann (dieses) Deutchland erst, wenn der Weg zur menschlichen Emananzipation neu wieder beschritten wird.
s. dazu 1. Heinz Gess, "Opa war kein Nazi". Über den kollektiven Mythos der Deutschen von der Nazivergangenheit"
in: ders. und Kristan Kossack, "Opa war kein Nazi". Ein Beitrag zu Kritik des kollektiven Nachkriegsmythos der Deutschen von der Nazivergangenheit
http://www.kritiknetz.de/?position=artikel&aid=363
2. Heinz Gess, Des Freiherrn von Campenhausen Vergleich der antisemitischen Äußerungen des Landesbischof Meiser (1926) mit der Islamkritik von Ralph Giordano
in: ders und Kristan Kossac, Erinnerungspolitik der evangelischen Kirche. Über den kollektiven Nachkriegsmythos der Deutschen von der Nazivergangenheit, Teil 3
http://www.kritiknetz.de/?position=artikel&aid=364
Link zum Artikel (PDF): "Bis an die Grenzen". Klicken Sie bitte hier.