Kritik der Soziologie an einem aktuellen Fall: oder wie französische „Soziologen“ den algerischen Schriftsteller und Islamkritiker Kamel Daoud zum Schweigen brachten
"Löwenthal war für die Redaktion der Zeitschrift verantwortlich und veröffentlichte darüber hinaus auch Aufsätze. Mit seiner redaktionellen Tätigkeit organisierte er das Forum des Instituts, das über zehn Jahre – die meiste Zeit davon im Exil –, den Mitglieder eine Plattform für ihre theoretische Arbeit bot. Mit seinen theoretischen Arbeiten knüpfte er an die seiner Institutskollegen an und lieferte originäre Beiträge. Die theoretische und praktische Arbeit Löwenthals im Rahmen der Zeitschrift war für die Genese der Kritischen Theorie in den 30er Jahren konstitutiv." (G.-S. Schneider)
Angesichts der niederträchtigen Ausfälle französischer, sich links gebender Soziologen und Anthropologen gegen Kamel Daoud wegen seines Artikels „Islam und Körper. Das sexuelle Elend der arabischen Welt“ habe ich schon vor Wochen in Facebook einen kurzen Text zu Ehren von Kamel Daoud veröffentlicht und in ihm an Artikel im www.Kritiknetz.de erinnert, in dem ich diese querfrontlinke, strukturell antisemitische Ideologie, wie sie auch die französischen Vulgärsoziologen vertreten, seit Jahren kritisiere. Die Vulgärsoziologie gewährt dem kulturrassistischen, von Grund auf antisemitischen Islamismus im Namen eines vorgeblichen kulturrelativistischen „Antirassismus“ Beistand.
Indes gleicht dieser vorgebliche „Antirassismus“ exakt dem des Vordenkers der „neuen Rechten“ in Frankreich Alain de Benoist sowie dem des kulturalistisch argumentierenden „Völkerpsychologen“ und konservativen Revolutionärs der Psychoanalyse C. G. Jung, der sich mit denselben Argumenten wie diese kulturrelativistische Linke in den Jahren von 1933 bis 1939 an der antisemitischen nazistischen Hetze zur Liquidierung der Juden aus der deutschen Volksgemeinschaft beteiligte.
Daouds Analyse ist nicht naiv, wie ihm gerne unterstellt wird. Er hat die Gefahr gesehen, dass die sexuellen Übergriffe die Stereotypen des fremdenfeindlichen Europäers bedienen, der in den Flüchtlingen eben keine Opfer, sondern nur eine Horde wilder, unzivilisierte Barbaren sieht, und geht in seinem Text auch darauf ein. Was die französischen "Vulgär"soziologen an seinem Text stört, ist, dass Daoud an ein Tabu rührt, an das zu rühren sie nicht wagen. Wie mächtig es auch in Deutschland wirkt, hat der hilflose Umgang der deutschen Medien mit der Kölner Silvesternacht gezeigt. In ihnen wird auf die Silvesternacht vorwiegend als "Kölner Ereignisse" Bezug genommen. Man versteckt sich hinter diffusen Begrifflichkeiten, als entzöge sich das, was geschah, dem rationalen Verständnis. Noch mächtiger aber ist das Tabu in Frankreich. Deshalb sprechen sie in ihrem Pamphlet sogar ganz allgemein von einem "fait divers. Sie werfen Daoud eine kulturelle, psychologisierende Interpretation vor, wo es in ihren Augen doch nur um "soziale, politische und wirtschaftliche Faktoren" geht. So beweisen die Unterzeichner, dass sie für ihre Verteidigung der kollektiven Identität der anderen selbst noch auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu verzichten bereit sind.
Um so mehr freut es mich, dass vor kurzem die franko-tunesische Schriftstellerin Fawzia Zouari Daoud zur Seite gesprungen. In einem Gastbeitrag in "Libération" kritisiert sie die ideologischen Scheuklappen der französischen Linken und fordert einen Diskurs ein, der sich nicht vor dem Vorwurf der Islamophobie ängstigt: "Ja, es gibt eine Psychologie der arabischen Masse. Ja, die Frauen werden bei uns als Objekte wahrgenommen, deren Körper versteckt werden müssen. Ja, es gibt in unseren Gesellschaften ein pathologisches Verhältnis zur Sexualität, das die religiöse Moral diktiert", schreibt Zouari.
Im Anschluss an den Artikel über die Fatwa der "Vulgär"soziologen füge ich den Artikel von Kamel Daoud in deutscher Übersetzung sowie den Link auf das französische Original an, damit Sie sich selbst ein Urteil bilden können über die Qualität des Textes von Daoud und die der fraternisierenden französischen "Vulgär"soziologie.
Heinz Gess
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