"Nicht die SS-Mitgliedschaft von Günter Grass ist der Skandal, auch nicht, dass er so lange geschwiegen hat, sondern sein Interview in der FAZ: eine Beichte, die keine ist
Die Heuchelei fängt schon bei der Überschrift an. "Warum ich mein Schweigen breche" betitelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihr Sensationsinterview mit dem groß angekündigten Mitglied der Waffen-SS, Günter Grass - als hätte es nach den Grundregeln eines kritischen Journalismus' nicht heißen müssen: "Warum ich geschwiegen habe." Als seien die Abgründe des deutschen Geschichtsdiskurses von weit geringerem Interesse als die Anlässe eines späten Enthüllungsromans. Als sei ausgerechnet von Grass selbst eine ehrliche Auskunft darüber zu erwarten, warum er gerade jetzt mit der Wahrheit herausrückt.(...)
Der Günter Grass des FAZ -Interviews, der dem prominenten Schriftsteller mitunter seltsam unähnlich scheint, schreckt nicht davor zurück, die deutschen Konzentrationslager mit dem amerikanischen Alltagsrassismus in einen kruden moralischen Zusammenhang zu bringen.
Die Heuchelei fängt schon bei der Überschrift an. "Warum ich mein Schweigen breche" betitelte die Frankfurter Allgemeine Zeitung ihr Sensationsinterview mit dem groß angekündigten Mitglied der Waffen-SS, Günter Grass - als hätte es nach den Grundregeln eines kritischen Journalismus' nicht heißen müssen: "Warum ich geschwiegen habe." Als seien die Abgründe des deutschen Geschichtsdiskurses von weit geringerem Interesse als die Anlässe eines späten Enthüllungsromans. Als sei ausgerechnet von Grass selbst eine ehrliche Auskunft darüber zu erwarten, warum er gerade jetzt mit der Wahrheit herausrückt.(...)
Der Günter Grass des FAZ -Interviews, der dem prominenten Schriftsteller mitunter seltsam unähnlich scheint, schreckt nicht davor zurück, die deutschen Konzentrationslager mit dem amerikanischen Alltagsrassismus in einen kruden moralischen Zusammenhang zu bringen.
In der Kriegsgefangenschaft, erzählt Grass, sei er erstmals mit "diesen Verbrechen", gemeint sind die Morde in den Konzentrationslagern, konfrontiert gewesen und habe gleichzeitig sehen müssen, "wie in den amerikanischen Kasernen die Weißen die in getrennten Baracken untergebrachten Schwarzen als Nigger beschimpften". Auf Grass scheint alles gleich schockierend gewirkt zu haben: die Konzentrationslager und die Kasernen. Der deutsche Faschismus und der amerikanische Rassismus. Wenn ein Großschriftsteller sich zu einem Großouting anschickt, aber doch den Mut gleich wieder verliert, dann verschmilzt alles Unrecht, alle Niedertracht dieser Welt zu einem undurchdringlichen Schuldzusammenhang, in dem der Einzelne keine Rolle mehr spielt.
Grass' vermeintliche Offensive ist in Wahrheit ein Versteckspiel, ein schlecht geführtes Rückzugsgefecht, gewürzt mit kleinen Abgeschmacktheiten. (...)
Am Ende spricht Grass von seiner eigenen "unvermeidbaren" Egozentrik, aber dieses "unvermeidbar" wirkt auf das gesamte Interview zurück. Was war denn überhaupt vermeidbar? Die Waffen-SS? Hitler? Der deutsche Faschismus scheint etwas Naturwüchsiges gewesen zu sein, worüber eine Diskussion im Grunde wenig lohnt. "Das kann man nicht bereuen", sagt Grass mit Bezug auf seinen egozentrischen Charakter, und man hat den merkwürdigen Eindruck, dass er noch viel mehr nicht bereut. "
Evelyn Finger
Link zum Artikel (PDF): "Das Geständnis - Event ". Klicken Sie bitte hier.
Grass' vermeintliche Offensive ist in Wahrheit ein Versteckspiel, ein schlecht geführtes Rückzugsgefecht, gewürzt mit kleinen Abgeschmacktheiten. (...)
Am Ende spricht Grass von seiner eigenen "unvermeidbaren" Egozentrik, aber dieses "unvermeidbar" wirkt auf das gesamte Interview zurück. Was war denn überhaupt vermeidbar? Die Waffen-SS? Hitler? Der deutsche Faschismus scheint etwas Naturwüchsiges gewesen zu sein, worüber eine Diskussion im Grunde wenig lohnt. "Das kann man nicht bereuen", sagt Grass mit Bezug auf seinen egozentrischen Charakter, und man hat den merkwürdigen Eindruck, dass er noch viel mehr nicht bereut. "
Evelyn Finger
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