Vortragstext. Der Vortrag wurde im Rahmen der Ausstellung "Innovative Methoden?" 26. - 30. Jan. 2009, in Hannover gehalten.
Markus Brunner setzt sich im Text kritisch mit der offiziellen Traumaforschung und derjenigen Forschung über die psychischen Folgen von Krieg, Verfolgung, Genozid und Folter auseinander, die mit dem Begriff der "Posttraumatischen Belastungsstörung" arbeitet.
Er kritisiert den individualpsychologischen Zugriff dieser Forschung aus zwei Gründern:
Markus Brunner setzt sich im Text kritisch mit der offiziellen Traumaforschung und derjenigen Forschung über die psychischen Folgen von Krieg, Verfolgung, Genozid und Folter auseinander, die mit dem Begriff der "Posttraumatischen Belastungsstörung" arbeitet.
Er kritisiert den individualpsychologischen Zugriff dieser Forschung aus zwei Gründern:
Erstens ist die Forschung pathologisierend, weil sie die psychische Struktur isoliert betrachtet und weder die soziale Situation des Ersttraumas berücksichtigt noch die aktuelle Situation derTraumatisierten später, die etwas mit dem Trauma selbst zu tun hat.
Zweitens ist die Forschung durch die Entkontextualisierung auch entpolitisierend, weil sie den politischen und sozialen Kontext völlig ausblendet.
Zweitens ist die Forschung durch die Entkontextualisierung auch entpolitisierend, weil sie den politischen und sozialen Kontext völlig ausblendet.
Beides hat nach Brunner verheerende Folgen für die Traumatisierten. "Die Pathologisierung bewirkt, dass sich TherapeutInnen auf die Symptombekämpfung konzentrieren, anstatt danach zu fragen, was diese Symptome bedeuten und welche gesellschaftliche Gewalt sich in ihnen zeigt." (Brunner)
Entgegen dem kritisierten Paradigma weist Brunner nach, dass die Traumatisierung und ihre Folgen der Struktur der traumatischen Situation selbst schon eingeschrieben sind. In den sogenannten Symptomen ist die Struktur der Folter abgebildet. Deshalb sind die traumatischen Symptome falsch begriffen, wenn sie als Antwort auf das traumatische Erstereignis aufgefasst werden. Sie müssen vielmehr als Teil des fortwirkenden Traumas gesehen werden. Das heißt: "Die externe Realität zwingt sich in die Psyche des Opfers. Sie installiert sich im Subjekt (Brunner): "Das Misstrauen gegenüber der Welt, den Mitmenschen, dem eigenen Wahrnehmungsvermögen und der Sprache, die chronische Angst, die Schreckhaftigkeit und die permanente Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, das anhaltende Gefühl der Fremdheit in der Welt, die Lustlosigkeit des Umgangs mit der bedeutungslos gewordenen Welt, die emotionale Stumpfheit " (Amery)- all dies lässt sich unmittelbar aus der Situation der Folter ableiten. "Die Menschen leiden an Schuld- und Schamgefühlen. Schuld, weil sie Informationen preisgegeben haben oder weil ihnen in der Foltersituation ihre Freunde abhanden gekommen sind. Scham, weil sie die eigene
Vernichtung, die Zurichtung zu einer kümmerlichen Natur ohne Selbstwert und ohne Selbstgefühl durchlebt haben."(Brunner)
Die Schmach der Vernichtung lässt sich nicht austilgen.
Das Foltertrauma wird so als genauer Niederschlag der gesellschaftlichen und politischen Realität im Subjekt und nicht als psychopathologische Realität begriffen. Der Balken des Traumas im Auge des Ersttraumatisierten wirkt wie ein Vergrößerungsglas, durch das er die gesellschaftliche Wirklichkeit erblickt. Je mehr er in dieser wiedererkennt, was ihn an die Struktur der traumatischen Situation erinnert, die sich ihm bis ins Innerste eingepägt hat, je traumatischer also die Gesellschaft selbst ist, der der Traumatisierte nach seiner Erstraumatisierung überlassen bleibt, um so zwingender setzt sich das Trauma fort, und die falschen Entkontextualisierungen des am eigenen Leibe Erfahrenen und Erlittenen durch geschäftige Therapeuten "posttraumatischer Wirkungen" machen diese nur unglaubwürdig und lassen ihr Engagement am Ende als schalen falschen Trost oder gar als Verrat erscheinen. Sie gehören zur traumatischen Gesellschaft dazu.
Die traumatische Gesellschaft lässt ein Entrinnen aus dem Trauma nicht zu.
Heinz Gess
Link zum Artikel (PDF): ""Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden - in der Welt." (Jean Améry) - Zur Psychodynamik der Folter und ihren traumatischen Folgen". Klicken Sie bitte hier.
Entgegen dem kritisierten Paradigma weist Brunner nach, dass die Traumatisierung und ihre Folgen der Struktur der traumatischen Situation selbst schon eingeschrieben sind. In den sogenannten Symptomen ist die Struktur der Folter abgebildet. Deshalb sind die traumatischen Symptome falsch begriffen, wenn sie als Antwort auf das traumatische Erstereignis aufgefasst werden. Sie müssen vielmehr als Teil des fortwirkenden Traumas gesehen werden. Das heißt: "Die externe Realität zwingt sich in die Psyche des Opfers. Sie installiert sich im Subjekt (Brunner): "Das Misstrauen gegenüber der Welt, den Mitmenschen, dem eigenen Wahrnehmungsvermögen und der Sprache, die chronische Angst, die Schreckhaftigkeit und die permanente Unsicherheit und Orientierungslosigkeit, das anhaltende Gefühl der Fremdheit in der Welt, die Lustlosigkeit des Umgangs mit der bedeutungslos gewordenen Welt, die emotionale Stumpfheit " (Amery)- all dies lässt sich unmittelbar aus der Situation der Folter ableiten. "Die Menschen leiden an Schuld- und Schamgefühlen. Schuld, weil sie Informationen preisgegeben haben oder weil ihnen in der Foltersituation ihre Freunde abhanden gekommen sind. Scham, weil sie die eigene
Vernichtung, die Zurichtung zu einer kümmerlichen Natur ohne Selbstwert und ohne Selbstgefühl durchlebt haben."(Brunner)
Die Schmach der Vernichtung lässt sich nicht austilgen.
Das Foltertrauma wird so als genauer Niederschlag der gesellschaftlichen und politischen Realität im Subjekt und nicht als psychopathologische Realität begriffen. Der Balken des Traumas im Auge des Ersttraumatisierten wirkt wie ein Vergrößerungsglas, durch das er die gesellschaftliche Wirklichkeit erblickt. Je mehr er in dieser wiedererkennt, was ihn an die Struktur der traumatischen Situation erinnert, die sich ihm bis ins Innerste eingepägt hat, je traumatischer also die Gesellschaft selbst ist, der der Traumatisierte nach seiner Erstraumatisierung überlassen bleibt, um so zwingender setzt sich das Trauma fort, und die falschen Entkontextualisierungen des am eigenen Leibe Erfahrenen und Erlittenen durch geschäftige Therapeuten "posttraumatischer Wirkungen" machen diese nur unglaubwürdig und lassen ihr Engagement am Ende als schalen falschen Trost oder gar als Verrat erscheinen. Sie gehören zur traumatischen Gesellschaft dazu.
Die traumatische Gesellschaft lässt ein Entrinnen aus dem Trauma nicht zu.
Heinz Gess
Link zum Artikel (PDF): ""Wer der Folter erlag, kann nicht mehr heimisch werden - in der Welt." (Jean Améry) - Zur Psychodynamik der Folter und ihren traumatischen Folgen". Klicken Sie bitte hier.