Robert Wistrich zu Brian Klug, der im Bundestag über das Thema "Antisemitismus im Nahen Osten" sprechen durfte: Du "ignorierst den Mainstream-Charakter des muslimischen Judenhasses im Nahen Osten sowie die Tatsache, wie stark dieser die Debatte in Europa schon vergiftet hat. Ganz im Gegensatz zu dem, was Du andeutest, ist der anti-jüdische Hass nicht mehr nur durch klassische europäische, christliche oder rassistische Motive angetrieben. Es sind Islamisten, die mit ihrer Verteufelung Amerikas, Israels und der Juden den Ton angeben. Die Medien, Akademiker, Künstler und religiösen und politischen Eliten in der Europäischen Union (EU) machen das duckmäuserisch nach. Darum kommt mir Deine Aufforderung, gemeinsam gegen "Islamophobie" und Antisemitismus zu kämpfen, als etwas merkwürdig und von der Wirklichkeit entfremdet vor.
Lieber Robert, (1)20. März 2005
Hoffnung lag in der Luft, als der Staat Israel - der aus der Asche der Schoah aufstieg - am Entstehen war. Der neue Staat bot den Überlebenden eine Zuflucht an. Darüber hinaus versprach der Zionismus Juden auf der ganzen Welt zwei Sachen: eine Normalisierung und "ein Ende des Antisemitismus" (Theodor Herzl). Doch mehr als 50 Jahre später ist Israel weit davon entfernt, eine Normalisierung zu erreichen und dem Antisemitismus ein Ende zu bereiten. Im Gegenteil: Israel steht nun im Mittelpunkt dessen, was einige Beobachter als einen neuen Antisemitismus bezeichnen.
Für mich ist Antizionismus nicht unbedingt antisemitisch. Was jedoch fehlt, ist eine Klarheit darüber, wann und wie Antisemitismus vorliegt. Das verwirrt viele durchaus wohlwollende Menschen in Europa und Amerika. Oft sind sie unsicher und fragen sich, ob sie antisemitisch sind, wenn sie Israel kritisieren, sich seiner Politik widersetzen oder den Zionismus anzweifeln. Wie sind wir soweit gekommen?
Diese Verwirrung wird in meinen Augen vor allem durch drei Arten von Feindseligkeiten ausgelöst, die sich in der Praxis überlappen. Zunächst provozieren sowohl die israelische Politik als auch israelische Handlungen eine Wut, die sich gegen das israelische Volk und gegen den jüdischen Staat richtet. Ich denke da besonders an die bevorzugte Behandlung jüdischer Bürger, die repressive Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens sowie die Expansion der jüdischen Siedlungen.
Viel schlimmer aber: Das Hoffen auf eine Normalisierung war irreführend. Denn der Zionismus war äußerst zweideutig. Einerseits sah der Zionismus sich als eine nationale Bewegung der Selbstbestimmung für ein verfolgtes Volk. In diesem Sinne bedeutete Zionismus Befreiung von Europa. Andererseits wurde der Zionismus in der Region des Nahen Ostens als ein europäischer Vorstoß in das arabische und muslimische Kernland betrachtet. Die ankommenden jüdischen Siedler waren für viele Araber nichts mehr als Europäer mit einem anderen Namen. Anders gesagt: Israel wird als ein Eindringling und als ein Außenposten Europas wahrgenommen, der mit der restlichen Region wenig gemeinsam hat, und gegen den Groll gehegt wird. Israel in diesem Licht zu sehen, ist, um es milde zu sagen, simplizistisch Diese Haltung aber ist nicht antisemitisch; sie ist anti-westlich.
Schließlich stellen - einige ernsthafte - anti-jüdische Vorurteile eine weitere Art von Feindseligkeit dar. Diese sollten wir nicht unterschätzen. Aber wann wird Widerstand gegen Israel zu antisemitischem Antagonismus?
Herzlich, Brian Klug
Lieber Brian, (2)30. März 2005
Es stimmt, dass nicht alle Kritik an der israelischen Regierungspolitik und am israelischen Verhalten eine anti-jüdische Feindseligkeit ausdrückt. Aber wo verläuft die Grenze? Für mich ist entscheidend, ob "Kritik" am Zionismus darauf abzielt, den jüdischen Staat zerstören, ohne zugleich das Verschwinden aller anderen Staaten im Nahen Osten zu fordern. Ich würde auch untersuchen, ob sich der Kritiker in der systematischen Verteufelung Israels engagiert. Greift er auf klassische antisemitische Stereotype zurück? Indem er zum Beispiel die angebliche jüdische/zionistische "Verschwörung" zur Herrschaft über die Welt ans Licht zerrt? Beschwört er jüdische/israelische "Kriegsförderer" herauf, die angeblich die amerikanische Außenpolitik bestimmen? Oder beruft er sich auf die überaus mächtige "jüdische Lobby", die Gerechtigkeit im Nahen Osten verhindert? Wenn der "antizionistische" Kritiker Juden für das Chaos und die Unruhen in der Welt verantwortlich macht, dann ist er sicher ein Antisemit. Wenn er israelisches Verhalten als verbrecherisch abstempelt, indem er es mit !Nazi-Symbolen" assoziiert oder als "rassistisch" brandmarkt, dann haben wir es mit Antisemitismus zu tun.
Ich zweifele aber an, dass Israel wirklich ein "Eindringling" oder ein "Außenposten des Westens" im Nahen Osten ist. Du gibst zu, dass das simplizistisch ist, ohne den Grund dafür zu nennen. Die Juden, die in das Land Israel zurückkehren, sind nicht mit europäischen Siedlern auf anderen Kontinenten zu vergleichen. Sie sind ein Volk von Ureinwohnern, die in ihr historisches Heimatland, das die Quelle ihrer nationalen Identität darstellt, zurückkehren. Die spirituelle und physische Verbindung der Juden mit Zion ist kontinuierlich geblieben und existierte schon Jahrhunderte lang, bevor muslimische Eroberer in den arabischen Wüsten auftauchten.
Darüber hinaus ist über die Hälfte der israelischen Bevölkerung überhaupt nicht "europäisch". Ein exklusiver Pan-Arabismus, islamistischer Fanatismus und der Druck der Dekolonisierung merzten vor 60 Jahren mehr als eine Million Juden aus dem arabischen Nahen Osten aus. Ihr Exodus allein sagt alles. Israel integrierte sie und gab ihnen Schutz, Würde und Freiheit, wie es das auch für die jüdischen Überlebenden des Holocaust getan hat. Die arabischen Brüder hingegen ließen die palästinensischen Flüchtlinge in den UN-Flüchtlingslagern verrotten und fütterten sie statt dessen mit revanchistischen Illusionen über ihr unveräußerliches "Recht auf Rückkehr" nach Israel.
Wenn die Tragödie im Nahen Osten gelöst werden soll, dann müssen diese Lager - die Saatbeete für Terrorismus und eine Kultur des Hasses -, zerstört werden und nicht der gut gedeihende jüdische Staat.
Herzlich, Robert Wistrich
Lieber Robert, (3) 8. April 2005
Israel als "Eindringling" oder als einen "Außenposten des Westens" im Nahen Osten zu sehen ist "simplizistisch", weil es einseitig ist: So nehmen arabische Augen den jüdischen Staat wahr. Ebenso ist es einseitig, die Juden als "ursprüngliches Volk, das in sein historisches Heimatland" zurückkehrt, zu betrachten: Das ist ein jüdischer Standpunkt. (Um präziser zu sein, das ist eine Version der zionistischen Sichtweise.) Beide Seiten neigen also dazu, die Dinge zu vereinfachen. Und solange beide nicht begreifen, dass es einen "Zusammenprall der Wahrnehmungen" gibt, solange werden sich auch ihre Einstellungen nicht ändern.
Zudem sind die Narrativen beider Seiten parteilich. Du schreibst, der Exodus der Juden aus den arabischen Ländern "sage alles", und denunzierst die arabischen Staaten für das Elend der Palästinenser. Eine andere Narrative aber macht Israel und den Zionismus für beides verantwortlich. Ich kann mir jemanden "von der anderen Seite" vorstellen, der mit Dir übereinstimmt, der jüdische Exodus "sage alles" - aber tatsächlich das Gegenteil dessen meint, was Du meinst.
Beide Seiten spielen damit, der anderen die Verantwortung zuzuschieben. Daran ist an sich nichts auszusetzen. Wo ein Konflikt zwischen Nationen existiert, ist jede Partei dazu berechtigt, für ihre Sache einzutreten. Aber jemand kann ein Befürworter sein, ohne ein Rassist oder Antisemit zu sein.
Das bringt uns zur Frage zurück, wann Opposition gegen Israel oder seine Regierung antisemitisch ist. Du schlägst verschiedene Arten vor, eine Trennlinie zu ziehen. Sicher greifen Kritiker Israel oft unfair heraus, verleumden den Staat oder stellen ihn als verbrecherisch dar. All das ist parteilich. Aber ist das unbedingt antisemitisch? Nein, das ist es nicht. Der israelisch-palästinensische Konflikt ist ein tragischer und bitterer Kampf, in dem die Streitpunkte komplex und die Leidenschaften entfacht sind. Beide Bevölkerungen leiden. In solchen Umständen ist Parteilichkeit kaum zu vermeiden.
Wann jedoch ist diese Parteilichkeit antisemitisch? Ich stimme mit dem, was Du über "klassische antisemitische Stereotypen" sagst, überein. Durch die Augen eines Antisemiten betrachtet, sind Juden prinzipiell fremdartig, mächtig, verschlossen, hinterlistig und parasitär. Opposition gegen Israel oder seine Regierung ist antisemitisch, wenn diese oder andere Variationen dieser Fantasie verwendet werden - genau wie Kritik an Arabern rassistisch ist, wenn sie sich am Bild des Arabers als einem gerissen, lügnerischen und entarteten Menschen oder als einem hasserfüllten Terroristen, für den das menschliche Leben keinen Wert hat, orientiert. Aber was kann getan werden, um diese Bigotterie - besonders den Antisemitismus - aus der Debatte über den Nahen Osten herauszuhalten?
Herzlich, Brian Klug
Lieber Brian, (4)12. April 2005
Die Geschichte des Antisemitismus lehrt uns, meiner Meinung nach, dass ein Kontinuum von Vorurteilen existiert, die von der sozialen Diskriminierung der Juden bis hin zur Konzentration in Ghettos und gewalttätigen Formen wie der Zuspitzung im Holocaust reichen. Darum sollten wir vorsichtig sein, nicht die systematische Verleumdung des israelischen Staates zu nachsichtig als bloße Parteilichkeit zu behandeln. Diese radikale Verneinung stellt den Zionismus oft als einen korrupten oder "fremdartigen" Einfluss im Nahen Osten dar; als eine rassistische, faschistische oder sogar "nazifizierte" Ideologie. In den meisten Fällen stützt sich so ein Anti-Zionismus auf eine abschätzige Sichtweise des Judaismus, des Judentums und der jüdischen kollektiven Existenz. Egal, welchen Ursprung diese Sichtweise hat, sie ist eindeutig von den antisemitischen Denkkategorien, die Du nennst, beeinflusst - die Juden als grausam, heuchlerisch and verschwörerisch betrachtet. Islamistische Bewegungen wie die Hamas, Hisbollah und al-Qaida sehen den palästinensischen Konflikt durch das Prisma solch antisemitischer verschwörerischer Theorien, in denen "Kreuzfahrer" und "Zionisten" absichtlich versuchen, Muslime zu erobern, zu versklaven und zu erniedrigen.
Die Weltanschauung der Jihadis fasst die Zerstörung Israels als Teil eines globalen Kampfes zwischen dem Islam und den "Ungläubigen" auf; es kann keinen Frieden mit den Juden geben, nur Krieg und Jihad. Es erstaunt daher nicht, dass dieser Anti-Zionismus sich auf die Protokolle der Weisen von Zion beruft, die passend für den Heiligen Krieg gegen die Juden "islamisiert" worden sind. Diese Kategorie des Anti-Zionismus hat leider viele Palästinenser infiziert - und einige ihrer Fürsprecher im Westen. Es feuert den bitteren israelisch-palästinensischen Konflikt an, auf den Du hinweist, aber es nährt auch den perversen Kult des Hasses und des Märtyrertums in der arabischen Welt. Der Antisemitismus ist das Opium der arabischen Massen geworden. Darum wird es schwierig sein, das rückgängig zu machen. Schließlich ist es praktisch für arabische Herrscher, diese Unzufriedenheit und Wut ihrer Völker gegen Israel, Amerika und die Juden zu kanalisieren. Darüber hinaus wird der militante Islam fortfahren - solange eine freie Debatte, eine Reformation des Islams und die Gleichberechtigung der Frauen in der arabischen Welt fehlen -, die politische Leere zu füllen. Aber einiges kann getan werden. Die gegenwärtige intensive anti-jüdische Aufhetzung innerhalb der palästinensischen Autonomiebehörde und der arabischen Staaten muss weniger werden. Europa sollte im Nahen Osten und auf eigenem Boden aktiver gegen muslimischen Antisemitismus eintreten. Ebenso könnte Israel gegenüber dem palästinensischen Leiden empfindsamer reagieren, obwohl das während des Abzugs aus dem Gazastreifen schwierig ist.
Herzlich, Robert Wistrich
Lieber Robert, (5)14. April 2005
Die Geschichte des Konflikts lehrt uns etwas Grundsätzliches über das Subjekt unserer Debatte. Wenn zwei Menschen sich nicht einig werden können, neigen beide dazu, eine feindselige Denkweise zu entwickeln, die die andere verteufelt und sie selbst entlastet. Und während beide negative Stereotype des Anderen benutzen, erkennt keine der beiden Parteien ihre Bigotterie.
Aber Du schreibst, als hätte nur eine Seite im israelisch-palästinensischen Konflikt - die arabische - eine feindselige Denkweise. Ich teile Deine Sorgen über eine Weltanschauung, die die Ausrottung Israels als Teil eines globalen Kampfes zwischen dem Islam und den Ungläubigen auffasst. Und ich bin entsetzt über Gruppen, die sich auf den klassischen Antisemitismus stützen. Doch wie steht es mit dem Rassismus auf der anderen Seite und einer Weltanschauung, die die Intifada als Teil eines globalen Kriegs gegen die Juden betrachtet? Oder die rassistische und islamophobe Bilder gegen die Palästinenser verwendet?
Darüber hinaus stellst Du Verallgemeinerungen über ganze Bevölkerungen an. Du weist auf einen "um sich greifenden Kult des Hasses und des Märtyrertums in der muslimischen Welt" hin, und Du schreibst, der Antisemitismus sei "zum Opium der arabischen Massen" geworden. Ebenso stellst Du den "militanten Islam" als eine grundsätzlich antisemitische Kraft dar, "die fortfahren werde, eine politische Leere zu füllen". Die Wahrheit, glaube ich, ist eine andere. Einerseits gibt es auf beiden Seiten Fanatismus und Bigotterie. Andererseits ist die große Mehrheit der Juden und Muslime mehr daran interessiert, einfach mit ihrem Leben vorwärts zu kommen und nicht Märtyrer oder Helden in einem religiösen oder nationalen Krieg zu werden.
Ja, es hat "ein Kontinuum von Vorurteilen" gegen Juden in der Geschichte des Antisemitismus gegeben. Aber hier handelt es sich um europäische und nicht nahöstliche Geschichte. Wegen der Vorurteile wurden Juden in Europa als eine finstere und mächtige Gruppe wahrgenommen. In Wahrheit jedoch wurden die meisten Juden (wie meine Vorfahren) an den Rand der Gesellschaft gedrängt und verfolgt. Der Zionismus sah sich genau deshalb als eine politische Bewegung an, die die Machtlosen ermächtigen sollte. Und er war erfolgreich: Israel ist heute eine Großmacht im Nahen Osten. Wenn Menschen darauf reagieren, wie der jüdische Staat seine Macht ausübt, besonders in den besetzten Gebieten, oder weil er als Handlanger der mächtigen Vereinigten Staaten wahrgenommen wird: Dann sind das keine Vorurteile. Und es ist auch kein Antisemitismus. Wenn wir das als Antisemitismus bezeichnen, obwohl es keiner ist, werten wir nicht nur das Wort ab, sondern wir verlieren auch an Glaubwürdigkeit und befremden wohlwollende Menschen.
Zu diesen sollten wir sagen: "Behandelt Israel wie jeden anderen Staat und den Zionismus wie jede andere politische Bewegung. Kritisiert sie oder widersetzt Euch ihnen mit moralischen, politischen und religiösen Einwänden. Aber erinnert Euch an den Antisemitismus: Vermeidet es, egal wie versehentlich, negative Stereotypen von Juden heraufzubeschwören." Zur muslimischen und arabischen Welt sollten wir sagen: "Jedes Mal, wenn Ihr Euch auf den Antisemitismus stützt, gießt Ihr Feuer ins Öl des israelisch-palästinensischen Konflikts - indem Ihr die Gefühle der Wut und der Angst steigert, die - und das ist verständlich - viele Juden in Israel und auf der ganzen Welt spüren."
Trotzdem wird unsere Stimme nicht gehört werden, solange wir uns nicht ganz unparteiisch gegen die Bigotterie auf beiden Seiten - nicht nur gegen den Antisemitismus, sondern auch gegen Islamophobie und anti-arabischen Rassismus - aussprechen.
Herzlich, Brian Klug
Lieber Brian, (6)28. April 2005
Gerade hat die britische "Association of University Teachers" (AUT) beschlossen, einige israelische Universitäten zu boykottieren. Ähnliche Maßnahmen gegen russische Akademiker wegen der Gräueltaten in Tschetschenien oder gegen palästinensische Institute, an denen der Jihadi-Terrorismus verherrlicht wird, leitet sie jedoch nicht ein. Nur die pluralistischen Universitäten in Israel werden wegen diskriminierender Behandlung hervorgehoben. Für Dich sind doppeldeutige Prinzipien und Scheinheiligkeit der bloße Ausdruck einer Parteilichkeit, die auf beiden Seiten existiert. Ich bin da anderer Meinung. Für mich ist jede Entscheidung, Israel zu boykottieren, nicht ohne den Antisemitismus zu erklären. Deine Position, die alles anderes als "objektiv" ist, unterschätzt die Wirkung der politischen Linken und Liberalen, die die Rechtmäßigkeit des Zionismus bezweifeln. Tatsächlich sind wir mit einem neuen Antisemitismus konfrontiert, der unter einer menschenfreundlichen Fassade agiert und Israel und die Juden als "rassistisch" anprangert.
Darüber hinaus ignorierst Du den Mainstream-Charakter des muslimischen Judenhasses im Nahen Osten sowie die Tatsache, wie stark dieser die Debatte in Europa schon vergiftet hat. Ganz im Gegensatz zu dem, was Du andeutest, ist der anti-jüdische Hass nicht mehr nur durch klassische europäische, christliche oder rassistische Motive angetrieben. Es sind Islamisten, die mit ihrer Verteufelung Amerikas, Israels und der Juden den Ton angeben. Die Medien, Akademiker, Künstler und religiösen und politischen Eliten in der Europäischen Union (EU) machen das duckmäuserisch nach. Darum kommt mir Deine Aufforderung, gemeinsam gegen "Islamophobie" und Antisemitismus zu kämpfen, als etwas merkwürdig und von der Wirklichkeit entfremdet vor. Zudem hilft es der anti-rassistischen Sache nicht, wenn Du das Besondere verschiedener Arten von Bigotterie verneinst, zumal es übersieht, dass muslimische Araber oft die Übeltäter anti-jüdischer Angriffe in der EU sind.
Du ignorierst auch die Besessenheit, mit der Israel für Gewalt und Terrorismus in der Welt verantwortlich gemacht wird. Das erinnert auf unheimliche Art an die Fantasien, die dem klassischen Antisemitismus zugrunde liegen. Die zeitgenössischen islamistischen und linken Denkweisen machen Israel für die Rückständigkeit und Dekadenz in der arabischen Welt verantwortlich, genau wie Europa die Schuld für seine ungelöste Krise traditionell auf das jüdische "Andere" projiziert hat.
Deshalb glaube ich nicht, dass eine "Normalisierung" für Israel oder das jüdische Volk möglich oder wünschenswert ist. Solche "Lösungen" für den Antisemitismus sind schon ausprobiert worden und gescheitert. Sollte aber die arabische Welt verstehen, dass nicht Israel, sondern Unwissenheit und fehlende Freiheit ihre größten Feinde sind, dann wird ein Frieden tatsächlich möglich sein.
Herzlich, Robert Wistrich
Notiz: Brian Klug arbeitet an der Oxford University und ist zugleich Associate Professor an der Universität von Chicago. Im vergangenen November hat er bei einer Bundestags- Anhörung zu dem Thema gesprochen.
Robert Wistrich ist Direktor des Vidal-Sassoon Centers for the Study of Anti- Semitism an der Hebräischen Universität in Jerusalem und in Israel sehr bekannt.
Link zum Artikel (PDF): "Die Saatbeete für Terror und Hasskultur zerstören". Klicken Sie bitte hier.