Das neueste Buch von Ulrich Enderwitz Konsum, Terror und Gesellschaftskritik widmet sich einer kleinen, vorgeblich im Linksmarginalen und negativnationalistischen Antideutschtum fixierten, dabei einflußreichen und doch namenlos bleibenden Gruppe von kommunistischen Intellektuellen und Parteigängern der kritischen Theorie, einem Gespenst recht eigentlich, dem der Autor die Verschwisterung und tatsächliche Verschweißung von kritischer Erkenntnis und Verblendung, von subversiver Einsicht und haltloser Ideologieproduktion, von selbstbewußtem Antagonismus und objektiver Affirmation des Kapitals zugleich vorwirft und auch sehr gerne nachweisen möchte. Gerade die Einsicht in die Logik der Kapitalakkumulation sei es, der diesen Kommunisten zur Barrikade vor der Wahrheit gerate, ausgerechnet ihr luzides Verständnis des Nationalsozialismus sei es, der sie zur schamlosen Bejahung des "War on terror" treibe, und schlußendlich ihr taktsicheres Gefühl für den Stand der Dinge wäre es, der sie die Wirklichkeit spektakulär verschleiern lasse.
Das ist intrikat: das Kompliment als Denunziation, der Wille zur Aufklärung als Beitrag zur Totalverschleierung des Bewußtseins.
Deswegen hat dieser Marxismus überhaupt gar keinen Sinn für Rache. Er ist das Grundgesetz der Einverstandenen,der Positivismus ihrer Behaglichkeit. Alles ist irenäisch und abgeklärt, alles ist so ordentlich und aufgeräumt, so übersichtlich und so deutsch wie auf einer 1.Mai-Demonstration von Stoikern. Dieser Positivismus à la Enderwitz ist die Verdoppelung dessen, was ganz ohne ihn zum Überdruß vorhanden ist. Und dieser Marxismus hat, eben weil ihm kein Sinn für Rache eignet, auch nicht den geringsten Sinn für die Kritik nach Marx: Denn diese Kritik will, so absurd es klingt und erst recht auch ist, wieder zum Leben bringen, was von der Volksgemeinschaft aus der Positivität geschafft, was umgebracht wurde und ausgerottet, als das nur Daseiende. Das ist vergeblich, aber der Stachel der Vernunft. Für Enderwitz dagegen ist, was tot ist, endgültig tot, ohne jedes Legat zur Rache und irgendein Testament auf den Kommunismus. Das meint nicht "Sinn" oder "Sinnstiftung" (wie er bestimmt einwenden wird), sondern den bewußten Ausdruck dessen, daß die Weltgeschichte, solange sie ihren logischen Gang geht, ihre menschliche Bestimmung nicht erfüllt. Dieser Abstand zwischen der Logik des Kapitals und der Bestimmung der Geschichte ist die Quelle der Kritik, nicht die theoretische Explikation der Logik.
Das leidenschaftslos Obduzierende, die abgeklärte Weise, in der er geruht, die Geschichte zu Protokoll zu nehmen, ist seine irgendwie doch originelle Methode, mit Deutschland einverstanden zu sein, d.h. sein persönliches D'ccord mit den Faktizitäten. Die Toten, sagt Ulrich Enderwitz, sind nur die Einbildung ihrer Mörder: Wir könnten das, sagt Enderwitz, wie jede andere Vergegenständlichung, in unseren produktiven Wahn, in unsern heideggerschen Urgrund des immer und immer gebärenden Schoßes der fruchtbaren Gattung, der Arbeit, zurücknehmen und aufs Neue verlebendigen, denn die Toten sind ja bloß die Fakten und also gar nicht die Toten. Alles ist Prozeß. Nichts ist unwiderruflich verloren: Derlei zu behaupten, gar von "Rettung" zu sprechen wie Adornos Meditationen zur Metaphysik, sei nur die spätbürgerliche Romantik vom Gebrauchswert im allgemeinen und Gebrauchswert am Menschen im besonderen, d.h. Ausdruck einer erzbürgerlichen Leidenschaft für die Phänomene, d.h. für die Ware und für die typisch kritisch-theoretische Verhaftetheit ans Bürgerliche. In der kritischen Theorie gefalle sich der Konsument als Ideologe. Soviel zum Verhältnis von Psychoanalyse und Gegenwart, zum Verhältnis auch von wissenschaftlichem Sozialismus und kommunistischer Kritik bei Ulrich Enderwitz. Die Provinz kommt, sagt Ernst Bloch, ganz von selbst in die Metropolen, man muß nur warten können, und sie kommt natürlich aus Münster, vom Unrast-Verlag. Geduld haben und abwarten, warten auf nichts als den idealistischen Unverstand der durch "68 für ihr Leben geblendeten Denker und auf das, was antiadornitische Marxisten wie Ulrich Enderwitz in ihrem philosophischen Stürmen und Drängen verbreiten: Für die Pro-Deutschen. Für die "Klassenkämpfer". Gegen den Zionismus. Für Deutschland. Und das alles im Namen eines Karl Marx, von dem sie nicht die Adresse kennen und nur den Terminus der "Konstruktion a priori", die hervorzubringen sie sich sehnen. Die Theoretiker verzehren sich nach dem Idealismus, nach dem rückstandslosen Verzehr der Fakten durch den Begriff, der ihr eigener sein soll. Sie verzehren sich um so mehr danach, wenn sie einmal als Marxisten im Namen der "Realfundamente", der "Homöostase" und der tatsächlichen, der "naturalen Bedürfnisse" angetreten waren, die Menschheit unter ihren eigenen, theoretisch ausgedachten und artig zur Objektivität entfalteten Begriff zu beugen. So geht es auf die schiefe Bahn, vom Werk bei Ca ira zum Machwerk bei Unrast: unten angedotzt, hat Ulrich Enderwitz vor dem Brot-und-Spiele-Komplex kapituliert und sich der Reklame ergeben, wenn auch nur der Reklame seiner selbst als eines Theoretikers, auf den man beim Philosophischen Quartett als linken Joker in Zukunft wird zählen müssen. Er wird dort vielleicht, so freundlich und bedächtig, wie es seine Art ist, mit anderen Unrast-Autoren über die Chancen, aber auch über die Risiken eines "emanzipatorischen Antizionismus" plaudern, auch über den "sekundären Lustgewinn", den das für Deutschland mit sich bringt.
Joachim Bruhn
Notiz: Aus: Bahamas Nr. 47 (Sommer 2005)
Link zum Artikel (PDF): "Realität als Bückware. Über ein neues Produkt des Theoretikers Ulrich Enderwitz". Klicken Sie bitte hier.
Deswegen hat dieser Marxismus überhaupt gar keinen Sinn für Rache. Er ist das Grundgesetz der Einverstandenen,der Positivismus ihrer Behaglichkeit. Alles ist irenäisch und abgeklärt, alles ist so ordentlich und aufgeräumt, so übersichtlich und so deutsch wie auf einer 1.Mai-Demonstration von Stoikern. Dieser Positivismus à la Enderwitz ist die Verdoppelung dessen, was ganz ohne ihn zum Überdruß vorhanden ist. Und dieser Marxismus hat, eben weil ihm kein Sinn für Rache eignet, auch nicht den geringsten Sinn für die Kritik nach Marx: Denn diese Kritik will, so absurd es klingt und erst recht auch ist, wieder zum Leben bringen, was von der Volksgemeinschaft aus der Positivität geschafft, was umgebracht wurde und ausgerottet, als das nur Daseiende. Das ist vergeblich, aber der Stachel der Vernunft. Für Enderwitz dagegen ist, was tot ist, endgültig tot, ohne jedes Legat zur Rache und irgendein Testament auf den Kommunismus. Das meint nicht "Sinn" oder "Sinnstiftung" (wie er bestimmt einwenden wird), sondern den bewußten Ausdruck dessen, daß die Weltgeschichte, solange sie ihren logischen Gang geht, ihre menschliche Bestimmung nicht erfüllt. Dieser Abstand zwischen der Logik des Kapitals und der Bestimmung der Geschichte ist die Quelle der Kritik, nicht die theoretische Explikation der Logik.
Das leidenschaftslos Obduzierende, die abgeklärte Weise, in der er geruht, die Geschichte zu Protokoll zu nehmen, ist seine irgendwie doch originelle Methode, mit Deutschland einverstanden zu sein, d.h. sein persönliches D'ccord mit den Faktizitäten. Die Toten, sagt Ulrich Enderwitz, sind nur die Einbildung ihrer Mörder: Wir könnten das, sagt Enderwitz, wie jede andere Vergegenständlichung, in unseren produktiven Wahn, in unsern heideggerschen Urgrund des immer und immer gebärenden Schoßes der fruchtbaren Gattung, der Arbeit, zurücknehmen und aufs Neue verlebendigen, denn die Toten sind ja bloß die Fakten und also gar nicht die Toten. Alles ist Prozeß. Nichts ist unwiderruflich verloren: Derlei zu behaupten, gar von "Rettung" zu sprechen wie Adornos Meditationen zur Metaphysik, sei nur die spätbürgerliche Romantik vom Gebrauchswert im allgemeinen und Gebrauchswert am Menschen im besonderen, d.h. Ausdruck einer erzbürgerlichen Leidenschaft für die Phänomene, d.h. für die Ware und für die typisch kritisch-theoretische Verhaftetheit ans Bürgerliche. In der kritischen Theorie gefalle sich der Konsument als Ideologe. Soviel zum Verhältnis von Psychoanalyse und Gegenwart, zum Verhältnis auch von wissenschaftlichem Sozialismus und kommunistischer Kritik bei Ulrich Enderwitz. Die Provinz kommt, sagt Ernst Bloch, ganz von selbst in die Metropolen, man muß nur warten können, und sie kommt natürlich aus Münster, vom Unrast-Verlag. Geduld haben und abwarten, warten auf nichts als den idealistischen Unverstand der durch "68 für ihr Leben geblendeten Denker und auf das, was antiadornitische Marxisten wie Ulrich Enderwitz in ihrem philosophischen Stürmen und Drängen verbreiten: Für die Pro-Deutschen. Für die "Klassenkämpfer". Gegen den Zionismus. Für Deutschland. Und das alles im Namen eines Karl Marx, von dem sie nicht die Adresse kennen und nur den Terminus der "Konstruktion a priori", die hervorzubringen sie sich sehnen. Die Theoretiker verzehren sich nach dem Idealismus, nach dem rückstandslosen Verzehr der Fakten durch den Begriff, der ihr eigener sein soll. Sie verzehren sich um so mehr danach, wenn sie einmal als Marxisten im Namen der "Realfundamente", der "Homöostase" und der tatsächlichen, der "naturalen Bedürfnisse" angetreten waren, die Menschheit unter ihren eigenen, theoretisch ausgedachten und artig zur Objektivität entfalteten Begriff zu beugen. So geht es auf die schiefe Bahn, vom Werk bei Ca ira zum Machwerk bei Unrast: unten angedotzt, hat Ulrich Enderwitz vor dem Brot-und-Spiele-Komplex kapituliert und sich der Reklame ergeben, wenn auch nur der Reklame seiner selbst als eines Theoretikers, auf den man beim Philosophischen Quartett als linken Joker in Zukunft wird zählen müssen. Er wird dort vielleicht, so freundlich und bedächtig, wie es seine Art ist, mit anderen Unrast-Autoren über die Chancen, aber auch über die Risiken eines "emanzipatorischen Antizionismus" plaudern, auch über den "sekundären Lustgewinn", den das für Deutschland mit sich bringt.
Joachim Bruhn
Notiz: Aus: Bahamas Nr. 47 (Sommer 2005)
Link zum Artikel (PDF): "Realität als Bückware. Über ein neues Produkt des Theoretikers Ulrich Enderwitz". Klicken Sie bitte hier.